EU und Türkei im Flüchtlingsstreit einig
5. Dezember 2013Die Türkei wird künftig illegale Einwanderer aus der EU wieder aufnehmen, wenn sie über die Türkei in die Europäische Union gelangt sind. Die Türkei ist für Flüchtlinge aus Nordafrika oder Asien ein wichtiges Transitland. Von dort gelingt es Zehntausenden, sich weiter nach Griechenland oder Bulgarien und somit auf EU-Gebiet durchzuschlagen. Diese Route wird momentan von den meisten illegalen Einwanderern genutzt. Das verabredete Rückübernahme-Abkommen soll am 16. Dezember unterzeichnet werden. Im Gegenzug erklärt sich die Europäische Union bereit, Verhandlungen über eine Visa-Liberalisierung für türkische Bürger wieder aufzunehmen.
"Ich finde es erstaunlich, dass dieser Durchbruch erzielt wurde", sagt Renate Sommer, die für die CDU im Europa-Parlament sitzt, am Rande einer Delegations-Reise in Ankara. Sie hatte bislang den Eindruck, dass die Türkei dieses Rückübernahme-Abkommen gar nicht umsetzen wolle, meint Sommer. Sie ist Teil der europäischen Parlamentariergruppe, die sich mit den Beziehungen zur Türkei beschäftigt und regelmäßig Gespräche in Ankara führt. Seit acht Jahren hätten die Türkei und die EU über dieses Abkommen verhandelt und seit einem Jahr sei die Vereinbarung unterschriftsreif, sagt Sommer. Der türkische Versuch, dieses Flüchtlings-Abkommen mit einer Visa-Liberalisierung zu verbinden, werde aber nicht so schnell umzusetzen sein, meint die Europa-Parlamentarierin - denn der Vorschlag stoße in einigen Mitgliedsstaaten der EU auf erheblichen Widerstand.
Langes Warten auf Visa-Erleichterung
Eine Visa-Liberalisierung könne es auf EU-Ebene nicht ohne Einwilligung aller EU-Länder geben - es werde jetzt lediglich ein Diskussionsprozess eingeleitet. Die Umsetzung einer Visa-Erleichterung für türkische Bürger wird nach Sommers Einschätzung noch Jahre dauern. Sowohl die Türkei, als auch die EU seien zähe Verhandlungspartner - da könne noch viel passieren. Allerdings wisse die Türkei, "dass die EU verhandlungsbereiter ist, wenn ein solches Abkommen unterzeichnet ist", unterstreicht Sommer im Interview mit der Deutschen Welle.
Ihre Parlamentskollegin von den Grünen, Franziska Keller, kann nicht nachvollziehen, warum die Visa-Befreiung für türkische Staatsbürger so schwierig ist. "In der Türkei ist diese Erleichterung eine sehr große Frage, weil viele Bürger sehr große Schwierigkeiten haben, ein Visum zu bekommen."
"EU macht Drittstaaten für eigene Grenzsicherung verantwortlich"
Doch was für türkische Bürger Erleichterung bringen wird, macht es für andere Menschen schwieriger in die Europäische Union zu gelangen, kritisiert Franziska Keller. Dieses Abkommen soll für illegale Flüchtlinge gelten, also nicht für Schutzbedürftige, die aufgrund eines Bürgerkriegs Schutz in der Europäischen Union suchen - heißt es offiziell. Die so genannte Rückübernahme von illegalen Einwanderern sieht vor, dass die Menschen, die sich illegal in der EU aufhalten, in die Türkei zurückkehren müssen - und das, obwohl die Türkei nur ein Transitland für sie sei, zu dem sie vielleicht gar keinen Bezug haben, meint die Europa-Abgeordnete. Was mit diesen Menschen dann dort geschehe, sei fraglich, denn es gebe in der Türkei keine Möglichkeit, Asyl zu beantragen oder zu bekommen.
Einwanderer können sich zwar als Flüchtling beim UNHCR registrieren lassen. Doch eine Bescheinigung des Flüchtlingshilfswerks der Vereinten Nationen helfe betroffenen Menschen in der Türkei nicht, meint Franziska Keller. "Ich würde mir wünschen, dass der politische Druck auf die Türkei wächst, damit die Türkei endlich ein funktionierendes Asylsystem aufbaut und dies für Schutzsuchende aus aller Welt auch öffnet."
Im Falle syrischer Flüchtlinge sei die Türkei allerdings der Europäischen Union weit voraus, unterstreicht die grüne Europa-Abgeordnete: "Für die syrischen Flüchtlinge tut die türkische Regierung sehr viel." In der Türkei hat über eine halbe Million syrischer Flüchtlinge Schutz gefunden. Die EU habe sich bereit erklärt, ungefähr 8000 Syrer aufzunehmen. "Das ist nichts im Vergleich zu dem, was die Türkei in diesem speziellen Fall dort leistet", kritisiert Keller.
Insgesamt hat die EU bereits 15 Rückübernahmeabkommen mit Drittstaaten abgeschlossen, etwa mit Georgien, Pakistan oder Hongkong. Die Vereinbarungen sieht Franziska Keller ganz klar als Teil eines Trends, die Grenzsicherung der Europäischen Union immer weiter nach außen zu verschieben. Die EU mache damit Drittstaaten für die Sicherung ihrer Außengrenzen verantwortlich. "Die Flüchtlinge sollen auf ihrem Weg schon von den Drittstaaten aufgehalten werden, damit sich die EU nicht die Hände durch das Leid der Schutzsuchenden dreckig macht. Aber die Menschenrechtsverletzungen an den Außengrenzen passieren natürlich weiterhin."