Tadschikistan: Spaltung der demokratischen Kräfte
5. Oktober 2006Die Zentrale Wahlkommission Tadschikistans hat einen weiteren Kandidaten für das Präsidentenamt zum Wahlkampf zugelassen. Bei diesem inzwischen sechsten Kandidaten handelt es sich um Tabarali Sijoew. Er ist Kandidat der Demokratischen Partei, die erst vor einer Woche vom Justizministerium zu den Wahlen zugelassen wurde. Genau diese Zulassung ist äußerst umstritten. Denn zurzeit gibt es sozusagen zwei Demokratische Parteien. Während die eine mit Sijoew als Kandidat zu den Wahlen antreten will, ruft die andere zum Boykott der Wahlen auf.
Spaltung mit Hilfe der Behörden
Bisher gab es in Tadschikistan nur eine Demokratische Partei unter dem Vorsitz des bekannten, aber derzeit inhaftierten Oppositionsführers Mahmadrusi Iskandarow. Vor einigen Monaten hatte sich jedoch eine kleinere Fraktion unter dem Namen „Watan“ von der Demokratischen Partei abgespalten. Anführer der Fraktion „Watan“ war der Politiker Masud Sobirow. Genau dieser Masud Sobirow wird nun in der offiziellen Registrierung als rechtmäßiger Vorsitzender der Partei genannt, die auch bei den Wahlen antreten darf – unter dem Namen „Demokratischen Partei“. Somit wurde die Spaltung der demokratischen Kräfte in Tadschikistan mit Hilfe der Behörden zu Ende geführt.
Erstaunliche Genehmigung
Interessant ist, dass Tabarali Sijoew bereits am 17. September bei einer Versammlung der abgespaltenen Fraktion „Watan“ als Kandidat für die Präsidentschaftswahlen aufgestellt wurde. Damals lehnte die Zentrale Wahlkommission aber den Antrag auf Zulassung ab. Muhibullo Dododschonow von der tadschikischen Wahlkommission begründete dies gegenüber der Deutschen Welle mit den Worten: „Am 17. September stellten sie einen Kandidaten auf, den lehnten wir ab, weil keine offizielle Genehmigung vom Justizministerium vorlag. Wir sagten ihnen, als Führer der Demokratischen Partei gelte Mahmadrusi Iskandarow, deswegen könnten wir den Antrag nicht annehmen. Wir leiteten dies an das Justizministerium weiter. Das Ministerium prüfte alles und stellte fest, dass die veränderte Parteiführung legitim ist.“
Aufruf zum Wahlboykott
Die Führung der früheren Demokratischen Partei wirft nun der Wahlkommission vor, gegen das Gesetz über die Präsidentenwahl verstoßen zu haben. Die Demokraten sagen, die Wahlkommission habe nicht das Recht gehabt, erst ihre vorherige Antrags-Ablehnung zu annullieren und dann einen Antrag einer „künstlich geschaffenen Demokratischen Partei“ zu akzeptieren. Allein die überraschende Zulassung der Partei durch das Justizministerium sei gesetzwidrig.
Die Entscheidung der Behörden sei gefallen, während der Wahlkampf am 24. September seinen Höhepunkt erreichte, als die demokratische Partei zum Boykott der Präsidentschaftswahlen aufrief, meint der amtierende Vorsitzende der Demokratischen Partei Dschumaboj Nijosow. Im Gespräch mit der Deutschen Welle betonte er: „Das ist eine gesetzwidrige Entscheidung, weil die Zentrale Wahlkommission mit der Prüfung des Beschlusses der Versammlung erst zwölf Tage nach der Kandidaten-Nominierung begann, was gegen Artikel 24 des Gesetzes über die Präsidentenwahl verstößt.“ Nijosow betont, die Behörden würden auf diese Weise auf den Wahlboykott-Aufruf reagieren. Damit wollten sie den Eindruck erwecken, dass die Demokratische Partei dennoch an den Wahlen teilnehme.
Schlechte Öffentlichkeitsarbeit
In einer Erklärung ziehen die Demokraten die Legitimität der in Tadschikistan bevorstehenden Präsidentschaftswahlen in Zweifel. Der Ortsverband der Demokratischen Partei in Duschanbe ruft nun „alle Patrioten“ auf, an Protestkundgebungen teilzunehmen, um gegen die Verstöße der Behörden gegen die Gesetze des Landes zu demonstrieren.
Nach Ansicht des tadschikischen Politologen Rustam Hajdarow ist die tadschikische Opposition, obwohl sie ziemlich bekannte Führer habe, nicht in der Lage, dem Druck seitens der Behörden standzuhalten. Eine Schwachstelle der Oppositionsparteien sei die schlechte Öffentlichkeitsarbeit: „Die Schwäche unserer Opposition ist, dass sie über kein klares Programm verfügt und nicht auf die Bevölkerung zugeht. Unsere Oppositionsparteien sind wie kleine Schulkinder, die noch viel Zeit brauchen, um politische Kultur zu lernen und sich politisch zu bilden. Sie brauchen ein Programm, nach dem sie handeln können.“
Nigora Buchari-sade, Duschanbe
DW-RADIO/Russisch, 3.10.2006, Fokus Ost-Südost