Tadschikische Wahlfarce
27. Februar 2005In Tadschikistan, der südlichsten der zentralasiatischen Republiken, sind die Bürger am Sonntag (27.2.) aufgerufen, ein neues Parlament zu wählen. Noch verfügt die zurzeit regierende "Volksdemokratische Partei" unter Vorsitz des tadschikischen Präsidenten Emomali Rachmonow über die Mehrheit der 63 Sitze im Unterhaus des Zweikammernparlaments. Damit das auch so bleibt, wurden Oppositionsparteien schon vor den Wahlen massiv behindert.
Die Medien schweigen
Sechs Parteien treten an, doch das wissen nur die wenigsten in Tadschikistan. Wahlkampf scheint hier ein Fremdwort zu sein. Selbst in den Straßen der Hauptstadt Duschanbe sind kaum Plakate zu sehen, niemand verteilt Flugblätter, die lokale Presse schweigt zum Thema. Nicht einmal im staatlichen Fernsehen werden Wahldebatten geführt. Nuriddin Karschibaev, Leiter des Nationalen Verbandes unabhängiger Medien, hat eine Erklärung für dieses Verhalten: "Unsere Experten sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die politischen Parteien und unabhängigen Kandidaten sich für die Medien kaum interessieren und unzureichend deren Möglichkeiten nutzen. Vielleicht denken sie, dass der Ausgang der Wahlen bereits fest steht."
Das tadschikische Wahlgesetz sieht gleiche Bedingungen für alle Parteien im Wahlkampf vor. Doch diese Bestimmung hat nur wenig mit der Realität zu tun. Gegenüber der regierenden Volksdemokratischen Partei hat die Opposition kaum Chancen. Tatsächlich scheitert der Wahlkampf oft an der Finanzierung. Zwar müsste das Fernsehen jeder Partei bis zu 30 Minuten kostenlose Sendezeit zur Verfügung stellen - doch das staatliche Komitee für Rundfunk weigert sich, in dieser Zeitspanne Wahlwerbespots auszustrahlen. Das sei zu teuer. Stattdessen können die Parteien Sendezeit kaufen - aber das kann sich kaum eine Partei leisten.
Wer trotzdem versucht, mit einfacheren Mitteln die Wähler auf sich aufmerksam zu machen, bekommt schnell Ärger. "Die Miliz erlaubt uns nicht, unsere Wahlwerbung aufzuhängen", berichtet der stellvertretende Vorsitzende der Demokratischen Partei, Rachmatullo Waliew. "Darauf sind Fotografien unseres Parteivorsitzenden Machmadruzi Iskandarow zu sehen, der die Wähler dazu aufruft, für die Demokratische Partei zu stimmen. Die Miliz zerreißt außerdem unsere Flugblätter, und sie haben auch schon Parteimitglieder beleidigt."
"Kaution" für Kandidaten
Die Behörden verfügen über zahlreiche Mittel, um aussichtsreiche Parteien im Kampf um Sitze im Parlament von vornherein auszusortieren. So ist bei der notwendigen Registrierung durch die Wahlkommission eine so genannte "Kaution" in Höhe von umgerechnet über 600 Euro zu zahlen - wer nicht so viel hat, braucht gar nicht erst anzutreten. Ausländische Beobachter im Land sorgen sich vor allem um die Unabhängigkeit der Wahlkommissionen.
So auch Peter Eicher, Leiter der OSZE-Wahlbeobachtermission in Tadschikistan. Ihn erstaunt, dass viele örtliche Beamte gleichzeitig Mitglieder von Wahlkommissionen sind. Es entsteht der Eindruck, dass einige Kommissionen von der Regierung abhängig sind. "Sorgen machen uns auch Fälle, in denen einige Kandidaten schneller registriert wurden als andere. Das gab ihnen die Möglichkeit, sich eher an die Wähler zu wenden - was aus unserer Sicht ebenfalls ungerecht ist."
Rechtzeitig verboten
Ob die Wahlen am Sonntag gerecht ablaufen, werden mehr als 400 ausländische Wahlbeobachter beurteilen - von der OSZE, der GUS und kleineren Organisationen. Doch sie können nur die gravierendsten Mängel aufzeigen. Die entscheidenden Weichenstellungen vor der Wahl - Kontrolle der Medien, Verhaftung Oppositioneller - werden viele von ihnen gar nicht registriert haben. Auch die einfachen Wähler sind kaum über die näheren Umstände der Wahl informiert. Unabhängige Medien wurden rechtzeitig verboten, alternative Informationsquellen gibt es nicht.
Für Rachmatillo Zojirov, den Vorsitzender der Sozialdemokratischen Partei, ist die mangelhafte Information der Wähler Grund zur Sorge. "In Tadschikistan gibt es heute überhaupt keine Unterrichtung der Wähler, zum Beispiel wie er wählen soll oder wie nimmt man ihm die Angst, dass er für seine Handlung verfolgt werden könnte." Für ihn muss sich noch vieles ändern. Vor allem müsse man den Wählern Vertrauen in die Wahlen einimpfen, ihn überzeugen, dass seine Stimme etwas entscheiden kann, und dass in der Auswahlmöglichkeit mehrerer politischer Parteien und Ideologien ein Sinn liegt - nämlich die Entwicklung der Zivilgesellschaft.
Diese Auffassung ist unter den tadschikischen Wählern jedoch kaum verbreitet. Sie werden am Sonntag neben dem Wahlschein für das Parlament weitere Stimmzettel für die Wahl von lokalen und Bezirks- Vertretungen in der Hand halten - und, so fürchten die Vertreter der Opposition, kaum etwas damit anzufangen wissen.