Türkisches Pop-Kino
22. April 2004Lange haben türkische Filme in deutschen Kinos ein düsteres Bild des Bosporus-Staates geprägt. Doch spätestens seit 1996 ist das anders: Im Gefolge von Yavuz Turguls Erfolgsdrama "Eskiya, der Bandit" gelangten immer mehr türkische Populärfilme in die deutschen Kinosäle - sogar in die Multiplex-Häuser.
Zwei Verleiher sind ganz vorn dabei
Für den Verleih sind vor allem zwei Firmen verantwortlich. Warner schickte mit "Propaganda", "Güle Güle", "Komisar Shekspir", "Vizontele 1" und "Vizontele 2" türkische Kassenmagneten ins Rennen, die auch das deutsche Publikum gewinnen sollten. Hinter dem Maxximum-Filmverleih steht Anil Sahin, ehemals Geschäftsführer und Projektentwickler der Hamburger Cinemaxx-Spielstätten. Als er in der Türkei den Markt erkunden sollte, gründete er dort sofort seine eigene Firma.
Nachdem der Erstling "Balalaika" 2001 in den deutschen Kinos floppte, passte Sahin seine Werbestrategie dem neuen Publikum an: Türkische Zuschauer sind treue Konsumenten mit einer hohen Produktbindung. Während Warner trotz hoher Einnahmen keine großen Gewinne einfährt, weil das Werbebudget falsch kalkuliert wurde, erhalten die Maxximum-Filme deutsche "Bogeys"-Preise für die beste Kopienauslastung.
Türkische Soap im Schweizer Kino
"Deli Yürek" bespielte in 70 bis 80 Städten 150 Säle. Das Schlusskapitel einer türkischen Kult-Familiensoap , "Asmali Konak", war mit 35 Kopien und 220.000 Zuschauern der erfolgreichste Titel. Dabei liegt die Quote deutschstämmiger Zuschauer bloß zwischen zwei und vier Prozent.
Maxximum-Produktionen laufen in Österreich, Bulgarien und der Schweiz. Vor wenigen Wochen belegte ein Film in den Niederlanden Platz drei der Kinocharts.
Dass die Filme in Deutschland untertitelt anlaufen, dient weniger der Handvoll nichttürkischer Zuschauer, sondern hilft vor allem, die fehlende türkische Sprachkompetenz vieler Deutschtürken auszugleichen. Überrascht stellt man fest, dass allzu derbe Flüche und Szenen mit nackter Haut aus den Werbetrailern herausgeschnitten wurden, da das Zielpublikum in Deutschland wertkonservativer ist als das am Bosporus.
Rambo und lustige Großfamilien
Nun plant Maxximum, ein Zugpferd mit Moritz Bleibtreu zu produzieren. In Hamburg entsteht derzeit "Süperseks". Die mit deutschen Geldern und deutschem Regisseur produzierte und mit türkischstämmigen Schauspielern realisierte Komödie über eine türkische Sex-Hotline könnte auch in der Türkei gute Chancen haben.
In wieweit die Filme türkische Lebenswirklichkeit vermitteln, mag jeder für sich entscheiden: "Propaganda" und "Vizontele" sind Provinzpossen, die auch beim deutschen Publikum Lachkrämpfe auslösen. Während die Türkei hier als konfliktfreie, multi-ethnische Großfamilie erscheint, geht es bei "Deli Yürek" hart zur Sache. Der Actionstreifen greift den Konflikt in Kurdistan ("Mesopotamien") auf, um ihn als Komplott zwischen CIA und Hisbollah zu deuten, das nur durch einen türkischen Rambo zu lösen ist.
Popcorn-Kino - Vergnügen oder Verfall?
Mögliche Untiefen umschiffend, bewertet Anil Sahin den neuen Trend positiv: Das lustige, bunte Filmwunder vermittelt ein positives Bild der Türkei und bereitet den Anschluss an Europa vor. Anders sieht es Haluk Bilgener, ein Superstar des türkischen Kinos. Er begrüßt zwar den aktuellen Hype, ist aber skeptisch, was die Dominanz des Popcorn-Kinos angeht: "Es wird eine neue vergnügungshungrige Generation herangezogen, die vollkommen apolitisch ist."