1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen
Politik

Südostasien wird der Drogen nicht Herr

19. Mai 2020

Seit Jahren nimmt der Drogenhandel in Südostasien zu. Die Mengen an Beschlagnahmungen steigen, aber der Preis fällt. Die Strategie im Anti-Drogenkampf geht nicht auf.

https://p.dw.com/p/3cRk7
Myanmar Drogenfund
Bild: Reuters/Myanmar Police/UNODC

Die Polizei in Myanmar hat die größte Drogenbeschlagnahmung Südostasiens aller Zeiten präsentiert. Im Zeitraum von Februar bis April haben die Sicherheitskräfte mehr als 200 Millionen Tabletten mit Methamphetamin, 500 Kilogramm kristallines Methamphetamin, 300 Kilo Heroin und 3750 Kilogramm flüssiges 3-Methylfentanyl beschlagnahmt. Das flüssige Methylfentanyl ist 1000 Mal stärker als Morphium. "Der Fund ist wirklich unvorstellbar. Er entspricht mehreren Milliarden Dosen. Das muss für den weltweiten Gebrauch sein", sagt der Myanmarexperte Richard Horsey.

Die Drogen wurden alle in Myanmars Shan-Staat gefunden, der Teil des Goldenen Dreiecks ist, wo Myanmar an Laos und Thailand grenzt. Dort herrschen ideale Bedingungen für die Drogenproduktion und den Drogenhandel. Die unwegsame Bergregion bietet eine Art "stabiler Unsicherheit", wie es in einem Bericht der International Crisis Group von 2019 heißt.

Infografik - Anstieg der beschlagnahmten Mengen von Methamphetamin in Südostasien - DE

Die stabile Unsicherheit ergibt sich aus den Machtverhältnissen in der Region: Ethnische Widerstandsgruppen in Myanmar, wie die United Wa State Army (UWSA) oder die National Democratic Alliance Army (NDAA), die zum Teil seit Jahrzehnten im Drogenhandel aktiv sind, kontrollieren die Grenzregion zu China, Laos und Thailand. In Thailand und Laos wiederum haben die Sicherheitskräfte nur begrenzte Kontrolle über die abgelegenen teils dicht bewaldeten Berge. Die Grenzen sind durchlässig, da Grenzkontrollen etwa in Myanmar von den gleichen Gruppen durchgeführt werden, die sich mit dem Drogenhandel finanzieren.

Das Hochland ist wirtschaftlich kaum entwickelt. Gegen die immensen Gewinne des Drogenbusiness hat eine reguläre Wirtschaft kaum eine Chance. Ein Bericht des Büros der Vereinten Nationen für Drogen und Verbrechensbekämpfung (UNODC) schätzt das Marktvolumen des Amphetaminhandels in ganz Südostasien auf 30 bis 60 Milliarden US-Dollar (26 bis 52 Mrd. Euro). Zum Vergleich: Das Bruttoinlandsprodukt Myanmars betrug nach Angaben der Weltbank 2018 knapp 70 Milliarden US-Dollar (62 Mrd. Euro). Diese immensen Summen korrumpieren die Institutionen, wie es auch in einigen Ländern Südamerikas der Fall ist. Teile von Polizei, Militär, Politik und Verwaltung, ja sogar Klöster und Mönche in Südostasien sind in das Geschäft mit den Drogen verstrickt.

Infografik Meth-Markt in Asien-Pazifik DE

Synthetische Drogen auf dem Vormarsch

War die Region früher berüchtigt für den Anbau von Opium und die Herstellung von Heroin, so erobern seit Jahren Methamphetamine immer größere Marktanteile. Die Produktion von Methamphetaminen bietet gegenüber dem Opiumanbau vor diverse Vorteile. Zum ersten ist die Produktion nicht abhängig von den Erntezyklen des Schlafmohns. Zum zweiten sind keine großen Anbauflächen, sondern nur Labore notwendig. Labore wiederum sind mobil und lassen sich bei Bedarf schnell verlegen. So gab es in den vergangenen Jahren einen großen Umzug von Laboren aus China über die Grenze nach Südostasien, was unter anderem mit dem verstärkten Vorgehen Chinas gegen die Drogenindustrie zusammenhängt.

Diese Labore produzieren zum einen das höherwertige kristalline Methamphetamin, auch bekannt als "ICE" oder "Crystal Meth", das seinen Weg zumeist in reichere Industrienationen wie Australien, Japan und Korea findet und zum anderen "Yaba" oder "Yama", eine Mischung aus Koffein und Methamphetamin in Tablettenform. Yaba ist in Südostasien und Südasien, dort insbesondere in Bangladesch, populär.

Die Droge unterdrückt Müdigkeit, Hunger und Schmerz. Konsumenten werden euphorisch, sie fühlen sich stark und selbstsicher. Das Abhängigkeitspotenzial ist erheblich. Als Nebenwirkungen treten Persönlichkeitsveränderungen, Psychosen und Paranoia auf.

Myanmar Drogenfund
Dealer sind bewaffnet und transportieren Drogen über etablierte HandelsroutenBild: Reuters/Myanmar Police/UNODC

Handelsrouten

Die Handelsrouten basieren weitgehend auf den alten Handelswegen des Opiumhandels, wie UNODC schreibt: "Die gleichen Routen, die Rebellen benutzt haben, um Opium und Heroin durch die Hügel des Goldenen Dreiecks zu schleppen, werden heute für den Methamphetaminhandel genutzt."

Allerdings sind die Ursprungsorte heute andere. ICE und Crystal Meth für den japanischen und koreanischen Markt kamen früher vor allem aus und über China. Heute ist laut UNODC "Südostasien der wichtigste Ausgangspunkt für 2018 in Japan beschlagnahmtes Methamphetamin". Südostasien ist die Drehscheibe des Metamphetaminhandels in Asien.

Für den Handel nach Südasien ist Myanmars westlicher Rakhine-Staat, aus dem die Rohingya vertrieben wurden und die ethnische Rebellengruppe Arakan Army (AA) für mehr Unabhängigkeit kämpft, Hauptroute geworden. Richard Horsey, Experte der International Crisis Group in Myanmar sagt: "Der Rakhine-Staat hat sich zu einer Art Drogen-Highway Richtung Südasien, insbesondere Bangladesch, entwickelt."

Infografik - Methamphetaminhandel in Asien-Pazifik - EN

Strategie der Sicherheitskräfte

Die Sicherheitskräfte der Region gehen regelmäßig, aber mit zeitlich und räumlich begrenzten Razzien, Beschlagnahmungen und Schließungen von Drogenlaboren gegen das Drogenbusiness vor. Das belegt auch der jetzt präsentierte Megafund aus den letzten Monaten.

Nach Ansicht von Horsey ist das nicht mehr als der sprichwörtliche Tropfen auf den heißen Stein. "Seit Jahren steigen die Zahlen bei den Beschlagnahmungen, aber der Preis sinkt. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Produktion schneller wächst als die Nachfrage."Horsey sagt weiter im Gespräch mit der Deutschen Welle. "Das Problem ist nicht unbedingt fehlender politischer Wille, sondern ein Mangel an strategischen Ideen." Die Regierungen in Südostasien könnten eine "Materialschlacht" gegen die immensen Gewinne des Drogenhandels nicht gewinnen. Es brauche einen "kreativen Ansatz", so Horsey.

Myanmar Drogenfund
Teedosen als Tarnung für synthetische DrogenBild: Reuters/Myanmar Police/UNODC

Die Spur des Geldes

Als Beispiele nannte Horsey etwa die Einsetzung einer Gruppe von 20 bis 25 Spezialisten, die der Spur des Geldes nachgehen könnten. Das Drogengeld wird, wie auch UNODC berichtet, vor allem in Casinos gewaschen, die in der Grenzregion zu China vorwiegend von zahlenden Kunden aus der Volksrepublik besucht werden. Es landet aber schließlich auf Konten von Banken in Hongkong, Macau oder Singapur. Hier anzusetzen wäre aus Sicht von Horsey viel erfolgversprechender als eine Dschungelrazzia nach der anderen.

Des Weiteren sei die Überwachung der Rohstoffe, die zur Herstellung synthetischer Drogen notwendig sind, überfällig. Myanmar ist zwar der größte Produzent der Region, kann aber keinen der notwendigen Grundstoffe wie etwa Pseudoephedrin selbst herstellen. Die im industriellen Maßstab hergestellten Rohstoffe kommen fast alle aus chinesischen Fabriken. UNODC fordert deswegen schon seit langem, dass die chemische und pharmazeutisch Industrie in China und Thailand mit den zuständigen Behörden enger zusammenarbeitet. Das gelingt aber nur bedingt, denn in den letzten Jahren gab es nicht eine einzige Beschlagnahmung von Rohstoffen an der Grenze, wie Horsey sagt.

Horsey fasst zusammen: "China ist sehr erfolgreich gewesen bei der Schließung von Drogenlaboren in China. Peking geht auch gegen den Drogenhandel vor und tauscht mit den Nachbarländern Geheimdienstinformationen aus. Aber eine engere Kooperation ist unerlässlich, um des Problems Herr zu werden."

Rodion Ebbinghausen DW Mitarbeiterfoto
Rodion Ebbighausen Redakteur der Programs for Asia