Südkoreas Wirtschaft im Corona-Modus
14. Mai 2020Auch wenn Südkorea am vergangenen Wochenende einen Rückschlag im Kampf gegen das Corona-Virus hinnehmen musste und nach einem lokalen Ausbruch in Seoul die Bars und Clubs im Ausgehviertel Itaewon schließen mussten - bislang ist das ostasiatische Land relativ glimpflich durch die Coronakrise gekommen.
Obwohl es zu Beginn der Pandemie nach China das am stärksten betroffene Land war, hat Südkorea die Krise bis heute ohne landesweiten Lockdown überstanden. Wochenlang gingen die Infektionszahlen zurück und die Produktion in den Industriebetrieben lief bis heute ohne große Beeinträchtigungen weiter.
"In Südkorea sind zu Beginn der Coronakrise Mitte Februar primär Clusterinfektionen aufgetreten. Durch das schnelle, IT-gestützte Tracking von Fällen, das konsistente Testen und Isolieren von potenziellen Kontakten ist eine breitflächige, unkontrollierte Ausweitung von COVID-19 vermieden worden", erklärt Barbara Zollmann, Präsidentin der Deutschen Außenhandelskammer (AHK) in Seoul.
"Es war ein großes Anliegen der Regierung, umfassende Sicherheits- und Hygienemaßnahmen zu ergreifen, Firmen und Menschen mit Richtlinien zum Umgang zu Corona zu versorgen und gleichzeitig die Wirtschaft nicht zum Erliegen zu bringen", so Zollmann.
Kaum Produktionsstopps
Durch das Krisenmanagement der südkoreanischen Regierung musste der Großteil der Unternehmen zu keinem Zeitpunkt schließen oder den Geschäftsbetrieb unterbrechen, sagt Stefan Samse, Büroleiter der Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) in Seoul. "Das Abflachen der globalen Handelsströme sowie der Nachfrageschock aufgrund von Lockdowns in zahlreichen Industrienationen wird jedoch auch in Südkorea zwangsläufig zu einer Rezession führen", ergänzt Samse.
Während der Internationale Währungsfonds (IWF) für 2020 von einem drastischen Rückgang der Wirtschaftsleistung in der Eurozone von 7,5 Prozent ausgeht, kommt Südkorea laut IWF-Prognose mit einem Rückgang von 1,2 Prozent aber noch mit einem blauen Auge davon.
Bisher leichte Rezession
Die Gründe für die vergleichsweise leichte Rezession in Südkorea liegen auf der Hand, sagt Barbara Zollmann: "Die Industrieproduktion konnte weiterlaufen, die Verwaltung hat weitgehend vom Home Office aus oder in Schichten von kleinen Teams weitergearbeitet. Und wenn es temporäre Produktionsstopps gab, dann, weil lokale Coronafälle aufgetreten sind und dort dann desinfiziert werden musste. Oder auch, weil Zulieferteile fehlten."
Außerdem komme es bis heute noch zu vorübergehenden Produktionsstopps, weil wegen der Corona-Pandemie in anderen Ländern die internationale Nachfrage drastisch eingebrochen ist, so die AHK-Chefin.
Nach den Zahlen der Zentralbank, der Bank of Korea, führt das Land schon seit Jahresbeginn weniger Autos, Maschinen und chemische Produkte aus. Im April musste die viertgrößte Volkswirtschaft Asiens dann den größten Rückgang im Außenhandel verkraften. Nach den Zahlen des Handelsministeriums brachen im April die südkoreanischen Ausfuhren im Vergleich zum Vorjahresmonat um 24,3 Prozent ein. Das war das größte Export-Minus seit Mai 2009, als die Weltfinanzkrise den internationalen Warenverkehr ausgebremst hatte.
Autoexporte im Rückwärtsgang
"Die Automobilindustrie und ihre Zuliefererbetriebe sind stark betroffen, weil die globale Nachfrage und damit der Export eingebrochen sind", bestätigt AHK-Chefin Zollmann. Die inländischen Automobilverkäufe würden dagegen noch gut laufen, weil Hersteller und Händler in Südkorea ihre Lagerbestände abbauen. Außerdem leide die Schiffindustrie, die schon vorher angeschlagen war. Auch da seien neue Aufträge Mangelware, so Zollmann.
Durch die Grenzschließungen rund um den Globus leidet auch in Südkorea die Luftfahrtbranche. Und im Einzelhandel, den Duty Free-Läden und vielen Restaurants fehlen Touristen und Geschäftsreisende.
Gerade für international tätige Unternehmen sei es wichtig, dass die Grenzen wieder durchlässiger werden, fordert AHK-Präsidentin Barbara Zollmann. "Für die Volkswirtschaften weltweit ist der behutsame Abbau von Reiserestriktionen dringend nötig. Luftfahrt und Geschäftsreisen nach Vorlage von Gesundheitszeugnissen und Tests bei Einreise müssen wieder möglich werden, wenn Länder wie Korea die Coronakrise gut managen und die Fallzahlen konstant niedrig sind."
Beschleunigte Einreiseverfahren über so genannte Fast-Track Abkommen, wie es sie bereits zwischen China und Korea gibt, machten vor, wie das gehen kann, unterstreicht Zollmann.
Große Hightech-Unternehmen wie Samsung und der Halbleiterproduzent SK Hynix, rechnen damit, dass ihre Gewinne durch die Pandemie im zweiten Quartal 2020 spürbar zurückgehen werden. Und sie weigern sich, wie eine ganze Reihe anderer Tech-Konzerne auch, eine aktuelle Jahresprognose abzugeben.
Gegensteuern der Politik
Um die Folgen der Pandemie für die Wirtschaft abzumildern, wurde von der Regierung ein Konjunkturpaket in Höhe von 240 Billionen Won (rund 180 Milliarden Euro) auf den Weg gebracht. Einmalzahlungen an die Haushalte sollen den Konsum ankurbeln.
"Die Regierung wird sich in naher Zukunft vor allem an ihrer Wirtschaftspolitik messen lassen müssen", meint Stefan Samse.
"Präsident Moon ist sich dessen bewusst und legte den Fokus seiner Rede an die Nation vergangenen Sonntag explizit auf die zukünftige Wirtschaftspolitik." Korea soll nach Moons Plänen nach der Bewältigung der Krise zum führenden Standort für die Hightech-Industrie und zum weltweiten Vorreiter in der Digitalisierung werden.
Bewährungsprobe für Südkoreas Krisenmanagement
Ob Südkorea weiter die wirtschaftlichen Schäden niedrig halten kann und seinen bisherigen Kurs im Umgang mit der Corona-Pandemie durchhält, liegt vor allem am weiteren Krisenmanagement der Regierung.
Die Entscheidungsträger in Seoul sehen den aktuellen Corona-Ausbruch zwar mit Sorge, räumte Südkoreas Außenministerin Kang Kyung-wha im Interview mit der DW ein: "Aber unser System ist voll einsatzfähig, um Kontakte zu verfolgen, zu testen und natürlich die bestätigten Corona-Patienten zu behandeln."
Der jüngste Corona-Ausbruch in Seoul habe gezeigt, das Südkorea noch nicht über den Berg sei, meint KAS-Büroleiter Stefan Samse: "Das Auftreten neuer Clusterinfektionen wird sich in naher Zukunft, insbesondere bei Aufrechterhaltung des öffentlichen Lebens, nicht vermeiden lassen. Die entscheidende Frage wird nun sein, wie erfolgreich das 'koreanische System' mit Rückfällen dieser Art umgeht."
Südkoreas Chefdiplomatin Kang Kyung-wha gibt sich optimistisch, dass ihre Regierung auch weitere, lokale Ausbrüche in den Griff bekommt: "Es gibt dann einen vorübergehenden Shutdown von Gastronomiebetrieben in Ausgehvierteln, aber keinen kompletten Lockdown von Wirtschaftsunternehmen. Ich glaube nicht, dass wir irgendwann an diesen Punkt kommen."