Syrische Kurden: Hoffen auf die USA
20. März 2019Der syrische Verteidigungsminister Ali Abdullah Ajub zeigte sich entschlossen. Jeden einzelnen Zoll des syrischen Territoriums werde die Regierung in Damaskus wieder unter ihre Kontrolle bringen, erklärte er am Montag auf einer Pressekonferenz. Seine Botschaft war vor allem auf die syrischen Kurden gemünzt, die im Norden und Osten des Landes größere Gebiete kontrollieren. Zugleich erklärte er, die Kurden sollten sich nicht zu sehr auf die USA verlassen: Die syrische Armee sei stark genug, auch "die amerikanischen Besatzungskräfte" von ihrer im Südosten des Landes gelegenen Basis Al-Tanf zu vertreiben. An die Andresse der Kurden richtete Ajub eine als Drohung und Angebot zugleich zu verstehende Botschaft: "Wir werden mit ihnen umgehen, entweder durch Versöhnung oder Befreiung des Gebiets."
Damaskus ist nicht der einzige Ort, aus dem die syrischen Kurden bedrohliche Botschaften vernehmen. Seit langem erklärt die türkische Regierung in Ankara, sie plane eine 30-40 Kilometer tiefe Sicherheitszone auf syrischem Gebiet. Würde diese Wirklichkeit, befänden sich weite Teile des von den Kurden bewohnten Gebiets unter türkischer Kontrolle. Wie rigoros sie auf dem Gebiet des Nachbarstaats vorzugehen bereit ist, demonstrierte die türkische Armee vor 14 Monaten mit dem Einmarsch in Afrin.
Kurskorrektur der USA
Die Hoffnung der Kurden, die Gefahr aus Damaskus ebenso wie aus Ankara abwehren zu können, knüpft sich vor allem an die Präsenz von 200 US-Soldaten - so stark wird das Kontingent sein, das die USA nach ihrem Rückzug aus Syrien dort zurückgelassen. Die meisten der Soldaten befinden sich in Al-Tanf, doch einige halten sich auch in anderen Landesteilen auf - auch den kurdisch besiedelten.
Diese könnten für die Zukunft einer autonomen kurdischen Region in Syrien eine wichtige Rolle spielen, sagte Nawaf Khalil, Direktor des Kurdischen Studienzentrums in Bochum, in der Sendung "Massaiya" im arabischen Programm der Deutschen Welle. Zwar hätten die Amerikaner offiziell nicht zugesichert, in der Region bleiben zu wollen. De facto aber seien sie vor Ort. Die Amerikaner seien zwar in erster Linie präsent, um die Dschihadistenorganisation "Islamischer Staat" endgültig zu besiegen. Aber notfalls könnten sich die USA auch gegen die Türkei richten.
Washingtons neues politisches Gewicht
Nachdem US-Präsident Trump zunächst den vollständigen Abzug der US-Truppen, der inoffiziellen Schutzmacht der syrischen Kurden, aus dem kriegsgeplanten Land bekanntgegeben hatte, schauen die Kurden seit einigen Wochen wieder optimistischer in die Zukunft. In der zweiten Februarhälfte deutet sich eine Korrektur von Trumps Entscheidung an. Die sei auch nötig, schrieb damals die "Washington Post". Schließlich hätten die US-Militärs aus ihren Fehlern im Irak gelernt und in Syrien eine durchaus erfolgreiche Mission absolviert. Das zeige sich etwa daran, dass nur sechs US-Amerikaner ums Leben gekommen seien. Zudem habe das Unternehmen sein politisches und militärisches Ziel erreicht: "Zum ersten Mal hat Washington nun ein erhebliches Gewicht in den Verhandlungen über die Zukunft Syriens." Dieses gründet sich nicht zuletzt auf die Zusammenarbeit mit den Kurden. Die spielen vor allem im Kampf gegen die Dschihadistenorganisation "Islamischer Staat" eine bedeutende Rolle.
Vor allem könnte sich zeigen, dass sich dieses Gewicht sogar mit nur 200 Soldaten halten lässt. Deren militärische Bedeutung sei überschaubar, heißt es in dem Internet-Magazin "Al Monitor". Umso mehr zähle die politische: "So lange wie sich US-Stiefel auf syrischem Boden befinden, lässt sich die Region nicht von einem Akteur kontrollieren, den die USA dafür als ungeeignet erachten, sei es der Iran, sei es das Regime in Damaskus. Die Präsenz ist ebenfalls ein Hinweis, dass die Amerikaner zumindest zu diesem Zeitpunkt den Nordosten Syriens nicht als russische Einflusssphäre gelten lassen wollen."
Ernüchterung in Ankara
Den politischen Anspruch der USA scheint man auch in Ankara zu sehen. Die USA würden noch eine geraume Zeit in Syrien bleiben, schrieb der türkische Polit-Analyst und ehemalige Brigadegeneral Naim Baburoglu in einem Beitrag für das Internetportal "Gercek Gundem". Baburoglu deutet an, dass mit der Präsenz der USA in der Region fortan wieder dauerhaft zu rechnen sein dürfte. Auch verfolgen die USA in Syrien offenbar wieder eine Agenda. Der erste Schritt dürfte nun darin bestehen, mit den Türken über deren Projekt der Einrichtung einer Sicherheitszone zu verhandeln, vermutet die Washington Post. "Das ist ein delikates Unterfangen, das Präsident Trump dazu nötigen wird, dem türkischen Präsidenten Erdogan entschieden entgegenzutreten, anstatt sich dessen Forderungen zu fügen."
Neue Überlegungen in Damaskus
Die neue Entschlossenheit der USA veranlasst offenbar auch die Regierung Assad dazu, ihren Kurs neu zu bestimmen. Dass sie es tatsächlich wagen würde, die US-Truppen anzugreifen, scheint fraglich - zu welchen Konsequenzen das führen würde, kann man sich in Damaskus ausrechnen. Denkbar sei darum etwa, das die Regierung mit den Kurden verhandle und sich mit ihnen gemeinsam den türkischen Plänen einer Sicherheitszone entgegenstelle, sagt der syrische Politologe Turki al-Hassan in der DW-Sendung "Massaiya". "Die Frage ist nur, ob die Kurden mit der Assad-Regierung in einen Dialog treten werden." Es liege allerdings auf der Hand, dass sich die derzeitige Situation in Nordsyrien auf Dauer nicht halten ließe: Die Region würde weiterhin Teil des syrischen Staatsterritoriums bleiben.
Derzeit befinden sich die Kurden in einer den Umständen entsprechend guten Verhandlungsposition. Die allerdings steht auf dünnem Fundament: Zögen sich die USA doch noch aus Syrien zurück, würden die Kurden zum Spielball von Akteuren, die stärker sind als sie.