Syrien: Assads Armee zieht sich aus Hama zurück
5. Dezember 2024Bei ihrer Großoffensive im Norden Syriens kommen die islamistischen Kämpfer voran: Nun haben sie ein strategisch wichtiges Ziel erreicht. Die Rebellen sind in die Stadt Hama eingedrungen. Die Kämpfer seien "von mehreren Seiten aus nach Hama eingerückt" und lieferten sich "in mehreren Stadtvierteln Straßenkämpfe" mit Truppen des Regimes von Machthaber Baschar al-Assad, teilte die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit.
Das syrische Militär räumte ein, die Kontrolle über die Stadt verloren zu haben. Die Einheiten der Regierungstruppen seien in Bereiche außerhalb der Stadt verlegt worden, um "das Leben von Zivilisten in Hama zu schützen, teilte das syrische Verteidigungsministerium mit. Das Kommando der syrischen Streitkräfte kündigte an, die von "Terroristen" eingenommenen Gebiete zurückzugewinnen.
Islamisten: "Hunderte Gefängnisinsassen befreit"
Nach eigenen Angaben nahmen die Kämpfer ein großes Gefängnis in der Stadt ein und ließen hunderte Insassen frei. "Unsere Streitkräfte sind in das Zentralgefängnis von Hama eingedrungen und haben Hunderte zu Unrecht inhaftierte Gefangene befreit", verkündete Hassan Abdel Ghani, ein militärischer Führer der islamistischen Kämpfer, auf einem Social-Media-Kanal.
Die Stadt Hama im westlichen Zentrum von Syrien liegt zwischen Aleppo im Norden und Damaskus im Süden und ist für den Schutz der rund 220 Kilometer entfernten Hauptstadt von großer Bedeutung. Hama könnte den Rebellen die Möglichkeit für einen Vorstoß auf das etwa 50 Kilometer entfernte Homs eröffnen, die wichtigste Stadt in Zentralsyrien.
Zudem ist der Abzug der Armee aus Hama ein schwerer symbolischer Schlag für Assad. Während des jahrelangen Bürgerkriegs war die Stadt stets unter Kontrolle der Regierung geblieben. Die Armee hatte erst am Mittwoch nach Angaben der Beobachtungsstelle eine Gegenoffensive gegen die islamistische Miliz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) und ihre Verbündeten gestartet.
Dass Hama nun in die Hände der Rebellen fiel, dürfte nicht nur Schockwellen in die Hauptstadt Damaskus senden, sondern auch nach Moskau und Teheran, wo die wichtigsten Unterstützer Assads sitzen.
Kämpfe seit mehr als einer Woche
Seit mittlerweile einer Woche rücken die HTS und verbündete Kämpfer bei ihrer im Norden gestarteten Großoffensive gegen die Regierungstruppen vor. HTS ist aus der Al-Nusra-Front, dem syrischen Ableger des Terrornetzwerkes Al-Kaida, hervorgegangen, hat nach eigenen Angaben aber seit 2016 keine Verbindungen mehr zu Al-Kaida.
Neben zahlreichen Ortschaften gelang es den Kämpfern, auch die Millionenstadt Aleppo nahezu vollständig unter ihre Kontrolle zu bringen. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle wurden seit Beginn der Offensive mehr als 700 Menschen getötet, darunter ein Großteil Kämpfer, aber auch 110 Zivilisten. Es ist seit 2020 die größte Opferzahl in dem 2011 begonnenen Bürgerkrieg in Syrien.
Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte bezieht ihre Informationen aus einem Netzwerk verschiedener Quellen in Syrien. Eine unabhängige Überprüfung der Angaben ist nicht möglich. Meldungen der Nichtregierungsorganisation erwiesen sich bislang aber oft als sehr zuverlässig.
AR/sti (afp, rtr, dpa)