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KonflikteSyrien

Syrien: "Der Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen"

Veröffentlicht 8. Dezember 2024Zuletzt aktualisiert 8. Dezember 2024

Erst vor anderthalb Wochen starteten die Rebellen in Syrien ihre Blitzoffensive - nun haben sie ihr Ziel erreicht: Die Aufständischen verkündeten die Einnahme der Hauptstadt Damaskus und den Sturz von Machthaber Assad.

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Mehrere Männer auf der Straße, teils mit Flagge, bewaffnet oder auf einem Motorrad: Rebellen in Damaskus feiern ihren Vorstoß in die Hauptstadt
Rebellen in Damaskus feiern ihren Vorstoß in die HauptstadtBild: Omar Sanadiki/AP/dpa/picture alliance

Das Rebellenbündnis in Syrien hat die Kontrolle über Damaskus übernommen und damit das Ende der mehr als zwei Jahrzehnte andauernden Herrschaft von Machthaber Baschar al-Assad besiegelt. Assad verließ die Hauptstadt am frühen Sonntagmorgen mit unbekanntem Ziel, wie syrische Offiziere bestätigten.

Das russische Außenministerium wusste zu berichten, Assad sei "zurückgetreten" und befinde sich nicht mehr in Syrien. Assads Machtverzicht seien "Verhandlungen" zwischen ihm und "einer gewissen Zahl von Teilnehmern an dem bewaffneten Konflikt" vorausgegangen. Wohin der bisherige Machthaber geflohen ist, wurde bisher nicht bekannt.

Am 27. November war der Bürgerkrieg in Syrien, der 2011 begonnen hatte, mit der Offensive der Islamisten-Allianz Haiat Tahrir al-Scham (HTS) plötzlich wieder aufgeflammt. Innerhalb kurzer Zeit übernahmen die Aufständischen die Kontrolle über viele Orte weitgehend kampflos, darunter Aleppo und Hama.

Erst am Samstag hatten die Rebellen die strategisch wichtige Stadt Homs eingenommen. Verschiedene andere Rebellengruppen rückten zugleich von Süden aus Richtung Damaskus vor. Die Rebellen einte das Ziel, Assad stürzen zu wollen.

"Das Ende dieser dunklen Ära"

Nach der Flucht von Assad verkündete die Rebellen-Allianz dann auch den Sturz seiner Regierung. "Der Tyrann Baschar al-Assad ist geflohen", so die Aufständischen. "Wir verkünden, dass die Hauptstadt Damaskus (von ihm) befreit wurde." Der 8. Dezember markiere "das Ende dieser dunklen Ära" der Unterdrückung unter Baschar und seinem Vater Hafis al-Assad, die das Land mehr als 50 Jahren regierten. "Dies ist der Moment, auf den die Vertriebenen und die Häftlinge lang gewartet haben, der Moment der Heimkehr und der Moment von Freiheit nach Jahrzehnten der Unterdrückung und des Leids."

Zerstörtes Porträt von Baschar al-Assad an einer Straße, zwei Frauen in Zivilkleidung stehen davor und nehmen ein Handyfoto davon auf
Aus Damaskus geflohen: Baschar al-Assad (auf einem Plakat in Qamishli)Bild: Orhan Qereman/REUTERS

Gerichtet an die Millionen Flüchtlinge, die durch den Bürgerkrieg vertrieben wurden, erklärten die Aufständischen: "Ein freies Syrien erwartet euch." 

Die staatliche Armee teilte den Regierungssoldaten mit, Assads Regierungszeit sei beendet. Das Militär-Kommando habe die Soldaten damit außer Dienst gestellt, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus syrischen Militärkreisen. Die Soldaten sollten zu Hause bleiben und würden bei Bedarf wieder zum Dienst gerufen.

Aufständische im Präsidentenpalast

Rebellen waren am Sonntagmorgen auch in den Präsidentenpalast eingedrungen. Nachrichtensender zeigten Aufnahmen von Aufständischen und deren Anhängern, die Palasträume und Gärten erkunden und Fotos machen. Später wurde eine Empfangshalle des Palastes in Brand gesetzt.

Mehrere teils bewaffnete Personen (Aufständische) in einem großen Raum mit rotem Teppich im Präsidentenpalast, einige machen Selfies
Aufständische machen ein Selfie im PräsidentenpalastBild: Omar Sanadiki/picture alliance/AP

Auch die Botschaft des Iran wurde laut Medienberichten attackiert. Das Personal der diplomatischen Vertretung in Damaskus sei geflohen, hieß es. Zusammen mit Russland war der Iran einer der wichtigsten Verbündeten der Assad-Regierung.

Ausgangssperre in Damaskus

Nach den Worten ihres Anführers Abu Mohammed al-Dschulani will das Rebellenbündnis die Macht friedlich übernehmen. Öffentliche Einrichtungen in Damaskus "werden bis zur offiziellen Übergabe unter Aufsicht des früheren Ministerpräsidenten bleiben", erklärte er in sozialen Medien. Militärischen Kräften sei es strikt verboten, sich diesen Einrichtungen zu nähern, auch Schüsse dürften nicht abgegeben werden.

Inzwischen verhängten die Aufständischen eine Ausgangssperre über Damaskus. Diese beginne um 16 Uhr Ortszeit (14 Uhr MEZ) und ende am Montagmorgen, hieß es in einer Mitteilung der Rebellen.

Mehrere Personen an einem Tisch mit Landkarte oder Luftaufnahme, darunter Abu Mohammed al-Dschulani (2.v.r., Archivfoto)
Will eine "offizielle Übergabe" der Macht: Rebellen-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani (2.v.r., Archivfoto)Bild: UGC/Fatah al-Sham Front/dpa/picture alliance

Assads Premier will kooperieren

Der bisherige Regierungschef Mohammed Ghazi al-Dschalali blieb eigener Darstellung zufolge im Land und will bei dem Machtwechsel kooperieren. "Wir sind bereit, (die Macht) an die gewählte Führung zu übergeben", sagte der Ministerpräsident in einer Videobotschaft, die er nach eigener Aussage in seinem Zuhause aufzeichnete. "Wir sind bereit, sogar mit der Opposition zusammenzuarbeiten." Die Bürger rief er bei den laufenden Entwicklungen auf, zu kooperieren und kein öffentliches Eigentum zu beschädigen. Syrien könne ein "normaler Staat" sein mit freundschaftlichen Beziehungen mit seinen Nachbarn. Er selbst habe kein Interesse an irgendeinem politischen Amt oder anderen Privilegien. "Wir glauben, dass Syrien allen Syrern gehört."

Im Zentrum von Damaskus brach nach Assads Flucht Jubel aus. Anwohner klatschten dort auf der Straße und einige waren beim Gebet zu beobachten, wie Augenzeugen berichteten. In sozialen Netzwerken machten Videos von Anwohnern die Runde, die auf einen Panzer klettern und feierliche Gesänge anstimmen.

Syrien - zahlreiche Syrer sitzen auf einem Panzer in Damaskus
Szene aus der syrischen Hauptstadt am SonntagmorgenBild: AFP

Syrer "verdienen eine bessere Zukunft"

Bundeskanzler Olaf Scholz bewertete das Ende der Assad-Herrschaft positiv. Assad habe sein Volk auf brutale Weise unterdrückt und unzählige Menschen auf dem Gewissen. Er habe zahlreiche Menschen zur Flucht aus Syrien getrieben, von denen viele nach Deutschland gekommen seien, sagte der Kanzler.

Außenministerin Annalena Baerbock äußerte die Hoffnung, dass Syrien nun nicht "in die Hände anderer Radikaler" fallen wird - "egal in welchem Gewand". Die Menschen dort "verdienen eine bessere Zukunft", erklärte sie in Berlin. Deutschland rufe die Konfliktparteien dazu auf, ihrer Verantwortung für alle Syrerinnen und Syrer gerecht zu werden. Dazu gehörten der umfassende Schutz von ethnischen und religiösen Minderheiten wie Kurden, Alawiten oder Christen und ein politischer Prozess, der einen Ausgleich zwischen den Gruppen schaffe. "Wenn die zentralen Akteure von innen und von außen nun endlich im Sinne der Menschen in Syrien handeln, könnte der seit Jahren ersehnte und zugleich so schwierige Weg zum Frieden beginnen", meinte Baerbock.

Auch der UN-Sondergesandte für Syrien, Geir Pedersen, äußerte die Hoffnung auf einen friedlichen Neuanfang. Das neue Syrien müsse von Versöhnung, Würde und der Einbeziehung aller Einwohnerinnen und Einwohner bestimmt sein, erklärte er in Katars Hauptstadt Doha. Pedersen verlangte einen stabilen politischen Übergang, die staatlichen Institutionen müssten intakt bleiben. Syrien solle seine volle Souveränität, Unabhängigkeit und Integrität zurückerhalten, betonte der norwegische Diplomat.

Kallas begrüßt das Ende der Assad-Diktatur

Die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas begrüßte den Sturz von Syriens Machthaber. "Das Ende von Assads Diktatur" sei eine positive Entwicklung. Es zeige auch die Schwäche von Russland und dem Iran, Assads Unterstützern. Es habe nun Priorität, Sicherheit in der Region zu gewährleisten.

Die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas bei einer Konferenz in Brüssel
Die neue EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas spricht von einer positiven Entwicklung in SyrienBild: Anchal Vohra/DW

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sagte zum Ende des Assad-Regimes, der barbarische Staat sei endlich gefallen. Frankreich werde sich weiter für die Sicherheit aller im Nahen Osten einsetzen. "Ich zolle dem syrischen Volk meinen Respekt, zu seinem Mut und seiner Geduld, schrieb Macron. 

wa/ack (dpa, afp, rtr)

 

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