US-russische Atompläne
8. Mai 2008Ost-West-Konkurrenz, das war einmal. In Zukunft kooperieren die USA und Russland, zumindest wenn es um Atomenergie geht. Die beiden Supermächte haben sich auf ein Abkommen geeinigt, mit dem sie ihre nukleare Zusammenarbeit massiv ausbauen wollen. Unterzeichnet wurde der historische Deal zu einem symbolträchtigen Zeitpunkt: am 6. Mai, dem vorletzten Amtstag von Wladimir Putin als russischem Präsidenten. Offizielles Ziel des Abkommens ist es, die friedliche Nutzung der Atomenergie zu fördern und die Weiterverbreitung von Atomwaffen zu verhindern.
Im amerikanischen Kongress wird die Zusammenarbeit indes argwöhnisch beobachtet. Kaum war das Abkommen unterzeichnet, haben 32 Senatoren in einem Brief an Präsident George W. Bush ihre Bedenken angemeldet. "Iran darf keine Nuklearwaffen bekommen", so einer der Initiatoren, der republikanische Senator Norm Coleman. "Wenn die russische Regierung dabei keine konstruktive Rolle spielt, kann ich keine intensivere Zusammenarbeit bei der Nuklearenergie unterstützen."
Streitfall Iran
Besonders stört die Senatoren das russische Angebot, Iran mit fertigen Uran-Brennstäben zu versorgen. Russland baut zurzeit seine Nuklearindustrie massiv aus. Geplant ist unter anderem ein internationales Wiederaufarbeitungszentrum in Sibirien. Die Anlage soll nuklearen Brennstoff für den weltweiten Verkauf produzieren. Alte Brennstäbe sollen dort recycelt werden.
Putin hat bereits vorgeschlagen, auch Brennstoff für das iranische Atomkraftwerk Buschehr zu liefern. Auf diese Weise könnte Teheran davon abgebracht werden, einen eigenen Brennstoffkreislauf aufzubauen, ohne den das Mullah-Regime keine Atombomben bauen kann, argumentiert Moskau. Den Kritikern in Washington ist das schon zuviel des Entgegenkommens. Sie appellieren nun an Bush, das Abkommen nicht in den Kongress einzubringen. Würde Bush den Text dem Parlament vorlegen, hätte das Parlament 90 Tage Zeit, darüber zu beraten. Unternimmt es nichts, würde das Abkommen automatisch in Kraft treten.
Amerikas Interesse am russischen Markt
Rüstungsexperte Hans-Joachim Schmidt von der
Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung
(HSFK) hält es für wenig aussichtsreich, Russland auf diese Weise zu einer Änderung seiner Iran-Politik bewegen zu wollen. "Die USA können nicht die Weiterverbreitungspolitik Russlands bestimmen. Da werden die Russen sehr genau darauf achten", ist er sich sicher. Außerdem hätten die USA selbst großes Interesse daran, die nukleare Zusammenarbeit mit Russland auszubauen: In den USA wurde seit dem Unfall von Harrisburg 1979 kein Atomkraftwerk mehr gebaut. "Die US-Politik will den internen Stillstand bei der Atomenergie durch Kooperation mit anderen Ländern umgehen", sagt Schmidt.
Heinz Smital, Atomexperte bei Greenpeace, vermutet, dass die USA angesichts abnehmender Uran-Vorkommen vor allem am russischen Schnellen Brüter interessiert sind. Denn mit der Brüter-Technologie lässt sich Uran effektiver verwerten. "Da hat Russland mehr Erfahrung als andere", sagt er. Das Problem dabei ist, dass die Technologie als komplex, teuer und schwer beherrschbar gilt. Und: Es entsteht atomwaffenfähiges Plutonium. Greenpeace-Experte Smital lehnt die amerikanisch-russischen Pläne deswegen ab. "Die Weiterverbreitung von Atomwaffen wird schwer einzudämmen sein, wenn man den Handel öffnet", fürchtet er. "Wie nah die zivile Nutzung der Atomenergie an der militärischen ist, sieht man ja im Falle Iran."
Atomenergie: zivil und militärisch nutzbar
Rüstungsexperte Götz Neuneck vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik in Hamburg (IFSH) hält es für "Heuchelei", die friedliche Nutzung der Atomenergie gegen die militärische zu stellen. Der Rüstungsexperte verweist auf Indien, das die Kernenergie friedlich nutzte - bis es 1974 eine Atombombe "für friedliche Zwecke" zündete. "Es gibt genug Beispiele von Staaten, die aus ziviler eine militärische Nukleartechnologie gemacht haben."