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PolitikNahost

Sudan: Steiniger Weg in Richtung Demokratie

Cathrin Schaer
24. November 2022

Im Sudan fordern Demonstranten den Rücktritt des deutschen Leiters der UN-Mission. Dabei verfolgen sie vor allem eigene Interessen. Trotz vieler Probleme gibt es aber auch Hoffnung auf einen demokratischen Übergang.

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Sudanesische Männer halten vor dem UN-Quartier in Sudans Hauptstadt Khartum im November 2022 Protestschilder hoch
Proteste gegen den Leiter der UN-Mission im SudanBild: Mahmoud Hjaj/AA/picture alliance

"Volker raus" steht auf den Transparenten, die Demonstranten vor sich hertragen. Auf anderen bekräftigen sie ihr "Nein zu ausländischer Einmischung". Einige tausende Demonstranten gaben in den letzten Wochen immer wieder zu verstehen, dass sie den deutschen Diplomaten Volker Perthes, Leiter der Unterstützungsmission für den Sudan der Vereinten Nationen (UNITAMS), gerne abgesetzt sähen.

Eingerichtet wurde die Mission durch eine UN-Resolution aus dem Jahr 2020. Ihre Aufgabe: den Sudan beim Übergang zu einer demokratischen Regierung zu unterstützen.

"Ich finde es unangenehm, wenn die Dinge persönlich werden, wie es hier der Fall ist", sagt Perthes, seit Januar 2021 Leiter der Mission, im DW-Gespräch. Zugleich aber trete man bei den UN natürlich grundsätzlich für das Recht auf friedliche Versammlung ein. Eines wisse man in der Mission: "Wenn wir gemeinsam mit sudanesischen Parteien, dem Militär und anderen versuchen, eine politische Lösung voranzutreiben, werden wir selbst Teil der Kontroverse."

Volker Perthes, Leiter der UN-Unterstützungsmission Sudan spricht auf einer Pressekonferenz im Januar 2022
Verhalten optimistischer Blick in die Zukunft: Volker Perthes, Leiter der UN-Unterstützungsmission Sudan, Januar 2022Bild: ASSOCIATED PRESS/picture alliance

Allerdings rekrutiert sich die gegen Perthes demonstrierende Gruppe nur aus einem vergleichsweise kleinen Teil der politischen Landschaft Sudans. Ihre Mitglieder entstammen hauptsächlich den Reihen der Islamisten. Meist handelt es sich um ehemalige Anhänger des gestürzten Machthabers Omar al-Baschir. Ihr Ziel: zurück an die Macht.

Jahre des Umbruchs im Sudan

Die Unruhe im Sudan hat eine längere Vorgeschichte. Nach dem Sturz des Diktators Omar al-Bashir im Jahr 2019 wurde eine zivil-militärische Übergangsregierung gebildet. Beobachtern galt sie als historische Chance für eine Rückkehr zu ziviler Herrschaft und Demokratie. Für das Jahr 2023 waren Wahlen geplant.

Doch im Oktober 2021 wurde die Übergangsregierung selbst gestürzt - und zwar durch die militärische Hälfte der Regierung. Diese verdrängte die zivilen Politiker und übernahm die Macht.

Seitdem hat der Sudan weder einen Premierminister noch ein Kabinett. Das Land sieht sich erheblichen wirtschaftlichen Schwierigkeiten gegenüber, da internationale Investitionen, Schuldenerlass und Entwicklungshilfe infolge des Staatsstreichs eingestellt wurden. Derweil wächst die Not: So warnte das UN-Welternährungsprogramm kürzlich, die Ernährung eines Drittels der Bevölkerung sei aufgrund der anhaltenden politischen und wirtschaftlichen Probleme im Jahr 2022 nicht gewährleistet.

Nach dem Putsch gingen pro-demokratische Gruppen auf die Straße, um ihren Unmut über die Machtübernahme durch das Militär zu äußern. 

Wachsende Kompromissbereitschaft in Khartum?

Die politische Situation des Sudan ist zwar äußerst fragil - dennoch gibt es seit Mitte dieses Jahres einige Hoffnungsschimmer. So meldete die Nachrichtenagentur Reuters kürzlich, die wichtigste zivile Koalition des Sudan, das Bündnis "Kräfte der Freiheit und des Wandels" (FFC), sei nun bereit, mit dem Militär eine neue Vereinbarung über den Weg zurück zur Demokratie zu unterzeichnen. Passiert ist dies freilich bisher nicht, doch immerhin die Hoffnung bleibt.

Frauen und Männer einer pro-demokratischer Gruppen bei einer Demonstration in Khartum im Oktober 2022
Pro-demokratische Gruppen in Khartum üben anhaltenden Druck auf das Militär ausBild: Marwan Ali/AP Photo/picture alliance

"Verglichen mit der Situation heute vor einem Jahr hat sich die Lage verbessert", sagt UN-Mann Perthes. "Viele Menschen haben den Eindruck, dass sich nach einem Jahr des Stillstands und des Versuchs der verschiedenen Gruppen, sich gegenseitig auszuschließen, nun etwas tut und ein Kompromiss möglich ist."

Rutscht der Sudan von einer Sackgasse in die nächste?

Doch selbst wenn eine Einigung erzielt würde, gerate der Sudan damit doch nur von einer politischen Sackgasse in die nächste, meint Kholood Khair, Gründerin der in Khartum ansässigen Denkfabrik "Confluence Advisory" und Expertin für den demokratischen Übergang im Sudan, im DW-Interview.

Zwar gebe es inzwischen ein gewisses Maß an Übereinstimmung zwischen rivalisierenden Kräften. Allerdings seien immer noch viele Menschen von der Diskussion ausgeschlossen. Dazu zählten unter anderem ehemalige Rebellengruppen im Süden sowie mehrere Stammes- und Religionsführer.

Khair und Perthes zufolge gibt es weitere Probleme, die jede Einigung noch zunichte machen könnten. So ist etwa offen, wer während der Übergangszeit das Amt des Premierminister und des Präsidenten ausfüllen werde und wie das Militär zu reformieren sei. Der derzeitige Plan sieht eine Übergangszeit von zwei Jahren vor. Doch die könnte zu kurz sein, als dass sich in ihr viel erreichen ließe, bemängelt Khair. Sie schließe nicht aus, dass eine erzielte Einigung hinter den hohen Erwartungen der Menschen zurückbleiben und letztlich in weiteren Protesten enden werde, verbunden mit weiterer Instabilität.

Die zweifelhafte Rolle des sudanesischen Militärs

Eine zentrale Rolle dürfte die künftige Rolle des sudanesischen Militärs spielen. In einer im November veröffentlichten Studie zum Verhalten des Militärs nach dem Putsch kamen Forscher des GIGA Instituts für Nahost-Studien in Hamburg und der University of Central Florida zu einem teils ernüchternden Schluss: Das Militär behaupte zwar, es strebe die Demokratie an. Tatsächlich aber nehme dessen Führung schrittweise Änderungen vor, die der Armee weiter die Vorherrschaft sicherten. "Selbst scheinbar moderate politische Veränderungen könnten die Militärherrschaft gegen zivile Herausforderungen stärken", mahnen die Forscher.

General Abdel Fattah al-Burhan, der Vorsitzende der Militärregierung, reckt auf einem Wagen vor Anhängern die Faust in die Höhe
Bekundet zumindest verbal Bereitschaft zum demokratischen Übergang: General Abdel Fattah al-Burhan, der Vorsitzende der MilitärregierungBild: Ashraf Shazly/AFP/Getty Images

Die Beamten müssten mit der Bevölkerung in einen engeren Dialog treten, sagt Khair dazu. "Ohne Einbindung der unterschiedlichen Gruppen wird es im Sudan nicht weitergehen."

Sudans Zivilgesellschaft fordert Mitsprache

Wie unterschiedlich die Auffassungen innerhalb der sudanesischen Gesellschaft sind, zeigt sich an einem weiteren Kritikpunkt gegenüber der UNITAMS - wenngleich aus einer Richtung, die der gegen Perthes protestierenden Islamisten diametral entgegengesetzt ist. Die UN-Organisation sowie andere internationalen Organisationen, heißt es seitens einiger zivilgesellschaftlicher Gruppen, seien im Sudan nicht in hinreichender Stärke vertreten. Der Vorwurf treffe in Teilen zu, meint Perthes dazu. "In einer idealen Welt hätten wir die Mittel, um mehr Büros im ganzen Land zu eröffnen. Aber wir haben ein umfassendes großes Mandat mit überschaubaren Ressourcen."

Dennoch zeigt Perthes sich vorsichtig zuversichtlich, was die politische Zukunft des Sudan betrifft. "Letztlich geht es darum, die Kluft zwischen den einzelnen Gruppen Schritt für Schritt zu verringern." Allerdings benötige dies Zeit: "Jede Einigung, jeder Kompromiss wird schrittweise erfolgen."

Aus dem Englischen adaptiert von Kersten Knipp. 

Sudan: Proteste gegen die Militärregierung