Bonner Sommerkino
15. August 2018Filme aus Hollywood und der goldenen Zeit des Weimarer Kinos, filmische Perlen aus Japan und Indien, aus der Sowjetunion, Belgien, Schweden und Frankreich sind zu sehen bei der 34. Ausgabe des Bonner Stummfilmfestivals. Seit Jahren gilt das Festival weltweit als eines der wichtigsten seiner Art, werden doch hier lang verschollene Filme wieder vor Publikum gezeigt.
Filmarchive und -museen aus aller Welt arbeiten zusammen
Möglich werden die Premieren der oft sehr teuren Rekonstruktionen durch die Zusammenarbeit der Filmmuseen und Filmarchive in aller Welt, die sich auf die Neugestaltung von Stummfilmen spezialisiert haben. Aus Deutschland zum Beispiel ist hier besonders das Münchner Filmmuseum zu nennen, an dem der gerade verstorbene Filmwissenschaftler Enno Patalas in den 1980er Jahren Pionierarbeit in Sachen Filmrekonstruktion leistete, in dem er berühmte Stummfilmwerke wie "Metropolis" und "Die Nibelungen" von Fritz Lang wiederherstellen ließ.
Und so ist es auch das Filmmuseum in der bayrischen Landeshauptstadt, das einer der wichtigsten Kooperationspartner des Bonner Stummfilmfestivals ist. Höhepunkte des Bonner Programms werden traditionell im September auch im Münchner Filmmuseum gezeigt. Zur Aufführung kommt dann auch ein Film, der in diesem Jahr zu den filmischen Höhepunkten in Bonn gezählt werden dürfte und dessen Produktions- und Aufführungsgeschichte allein schon als "kinoreif" gelten kann: "Stadt ohne Juden" (Artikelbild: Filmszene).
Der österreichische Film aus dem Jahre 1924 gilt heute geradezu als prophetisch, was das Thema Antisemitismus betrifft. Regisseur Hans Karl Breslauer verfilmte damals den populären Roman von Hugo Bettlauer, der davon erzählt, wie in einer fiktiven (an Wien angelehnten) Stadt eine politische und wirtschaftliche Krise dazu führt, dass die Juden ausgewiesen werden.
Damals war "Stadt ohne Juden" umstritten
Der Film lief seinerzeit sehr erfolgreich in den Kinos und kam auch in den USA zur Aufführung. Schon früh war "Stadt ohne Juden" aber auch aus verschiedenen Gründen umstritten. Rechte Kreise protestierten mit Stinkbomben gegen die Aufführung, linke und liberale Stimmen kritisierten, dass "Stadt ohne Juden" den Antisemitismus mit antisemitischen Vorurteilen kritisierte.
"Stadt ohne Juden" lief rund ein Jahrzehnt in den Kinos, danach verschwand er scheinbar spurlos. 1933 hatte eine der letzten Vorführungen in Amsterdam stattgefunden - als Zeichen gegen Nazi-Deutschland. Es war vermutlich diese Filmkopie, die rund 60 Jahre später vom "Nederlands Filmmuseum" entdeckt wurde. Doch wie häufig bei solchen Fundstücken, handelte es sich um eine Kopie mit zahlreichen Fehlstellen und den üblichen Abnutzungserscheinungen der Zeit.
Sensationeller Filmfund auf Flohmarkt
Umso größer war die Freude der Filmwissenschaftler, als 2015 auf einem Flohmarkt in Paris eine weitere Kopie von "Stadt ohne Juden" entdeckt wurde, die zudem bisher vermisste Sequenzen enthielt. So konnte der Film in den letzten Jahren wiederhergestellt werden, vermutlich in einer Fassung, die der Premierenfassung sehr nahe kommt. Finanziert wurde die Rekonstruktion des Films übrigens mit einer großen Crowdfunding-Aktion. Die Erstaufführung dieser völlig neuen Fassung fand im Frühjahr in Wien statt. Nun läuft "Stadt ohne Juden" bei den 34. Internationalen Stummfilmtagen in Bonn.
Das Festival in Bonn findet vom 16. bis zum 26. August im Hofgarten der Bonner Universität statt. Eine Auswahl der Filme läuft anschließend im Münchner Filmmuseum. Der Film "Stadt ohne Juden" tourt derzeit durch verschiedene Städte in Österreich und Deutschland.