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Studieren: Christus für China

Mathias Bölinger5. Januar 2006

Chinesische Studenten erobern die deutschen Unis. Beliebt sind Wirtschaft, Informatik, Ingenieurwissenschaften. Doch für einige von ihnen ist katholische Theologie das Fach der Wahl. Zum Beispiel für Franz Geng.

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Ein alter Chinese betet den Rosenkranz. Doch der Kirche in China fehlen TheologenBild: AP

Francisco de Xavier y Jassu war Spanier, Jesuit und einer der ersten Missionare in Asien. Franz Geng ist Chinese, katholischer Priester und Doktorand der Theologie in Bonn. Seinen Taufnamen hat er zu Ehren des spanischen Paters angenommen, der 1552 in der südchinesischen Stadt Kanton starb. Vor sieben Jahren kam Geng zum Theologiestudium an die katholische Hochschule St. Augustin. Davor hatte er vier Jahre an einem Priesterseminar in seiner Heimatprovinz Hebei studiert. "Aber was ich da gelernt habe, hat mich nicht überzeugt", sagt er.

Studieren beim Bischof

Ein Großteil der theologischen und philosophischen Literatur in China wurde während der Kulturrevolution verbrannt, als die roten Garden die alte Kultur vernichten wollten und gegen alles Westliche - Imperialistische, wie sie es nannten - wüteten. Die wenigen Bücher, die einzelne Priester retten konnten, sind oft aus den zwanziger oder dreißiger Jahren. Studierte Theologielehrer gibt es kaum, und besonders in abgelegenen Gebieten sind die Lehrpläne an den Priesterseminaren manchmal stark improvisiert. "Wir hatten mal einen Bewerber, der kam mit einem Brief seines Bischofs. 'Der Student hat bei mir Theologie und Philosophie studiert’, stand darauf", erzählt Joachim Piepke, der Rektor der katholischen Hochschule St. Augustin, wo in diesem Semester zwanzig Chinesen studieren.

"Was die Seminaristen in China lernen, ist meistens noch vorkonziliar", sagt Piepke. Also aus der Zeit vor dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das in den sechziger Jahren zur Erneuerung der Kirche einberufen wurde. Erst damals setzte sich endgültig durch, was Theologiestudenten heute im ersten Semester lernen: Den Glauben mit dem eigenen Verstand auslegen. "Bis in die fünfziger Jahre ging es oft nur darum, viel auswendig zu lernen, um das richtige Zitat an der richtigen Stelle zu nennen."

Eine kleine Schar

Franz Gengs Großeltern nahmen in den dreißiger Jahren den katholischen Glauben an. Seine frühesten religiösen Erinnerungen sind gemeinschaftliche Gebete in der Familie während der letzten Jahre der Kulturrevolution. "Sobald wir draußen Stimmen hörten, hörten wir auf zu beten und begannen uns über unwichtige Sachen zu unterhalten."

Gengs Deutsch ist das Deutsch von jemandem, der sich viel mit Büchern beschäftigt. Er spricht in bedächtigen, sorgfältig konstruierten Sätzen. Manchmal klingt die Sprache der Bibel in seinen Erzählungen an. "In der Grundschule waren wir katholischen Kinder nur eine kleine Schar", sagt er. Da war die Kulturrevolution gerade vorbei. Katholik zu sein galt aber immer noch als unpatriotisch. "'Ihr habt euch für zwei Groschen an die Ausländer verkauft’ riefen uns die anderen Kinder zu."

Heute begegnen die Chinesen dem Christentum mit einer gewissen Neugier. Wie so vielem aus dem Westen. Fünf bis zehn Millionen Chinesen sind getaufte Katholiken. Manche Ungetaufte bezeichnen sich als Kulturchristen. Bei denen, die ihre Religion wirklich praktizieren, achtet der Staat allerdings sehr genau darauf, die Kontrolle zu behalten. Die katholische Kirche musste sich offiziell vom Vatikan lossagen. Ein Teil der Gläubigen ging deshalb in den Untergrund. Auch dass Theologiestudenten ins Ausland gehen, wird vom Staat mit Skepsis gesehen.

Unverständliche Erbsünde

Franz Geng schloss sein Studium in St. Augustin letztes Jahr ab und kehrte nach China zurück, um die Priesterweihe zu empfangen. Ein halbes Jahr später kam er nach Deutschland zurück, und promoviert nun in Bonn über den "Sinn von Jesus Christus als Erlöser für die Chinesen." "Viele Vorstellungen unseres Glaubens sind für Chinesen schwer zu akzeptieren.", sagt er. In einer Tradition, in der der Mensch von Natur aus als gut gesehen wird, ist die Idee der Erbsünde unverständlich.

Trotzdem glaubt Franz Geng, dass das Christentum in China eine Zukunft hat. "Die chinesische Kultur ist zwar traditionell säkulär", fasst er zusammen. "Aber die moderne westliche Theologie hat sich in einer säkularisierten Gesellschaft entwickelt und ist deshalb für uns heute viel geeigneter als früher."