Studie: Gewalt gegen Christen nimmt zu
16. Januar 2019Bei allem Gerede über Tauwetter auf der koreanischen Halbinsel, Nordkorea bleibt Spitzenreiter in einer Statistik des Grauens. Zum 18. Mal in Folge (!) belegt Nordkorea den ersten Platz auf dem "Weltverfolgungsindex" des christlichen Hilfswerks "Open Doors". Nach wie vor sei der Druck auf Christen in allen Facetten des Lebens extrem, heißt es in dem Bericht, den die Organisation an diesem Mittwoch vorlegt.
"Jede Abweichung von der Verehrung des obersten politischen Führers" gelte als Verbrechen. Im Juni 2018 hatte Donald Trump in Singapur den nordkoreanischen Staatsführer Kim Jong Un getroffen. Etwaige Auswirkungen dieses Treffens sucht man in dem Open-Doors-Bericht allerdings vergebens.
Mehr ermordete Christen
Die Verfolgung von Christen ist für "Open Doors" ein globaler Trend seit über zehn Jahren. Grund dafür sei auch die Zunahme totalitärer Herrschaftssysteme. Und auch 2018 nahmen Gewalt und Verfolgung gegen Christen weltweit weiter zu. Allerdings verschärft sich das Ausmaß der Zunahme von Gewalt nach Angaben des Hilfswerks seit einigen Jahren in vielen Ländern zusehends rascher.
Das heißt: Es gibt nicht einfach nur mehr Gewalt und Verfolgung, weil es halt ein Trend der Zeit ist, sondern sie steigert sich überproportional. So stieg die Zahl der dokumentierten Morde an Christen laut dem Bericht von 2782 im Jahr 2017 auf 4136 im vorigen Jahr. Die mit Abstand meisten starben in einem Land: Nigeria.
Nach Angaben des Hilfswerks haben in immer mehr Ländern der Welt Christen unter massivster Verfolgung zu leiden. In seinem "Weltverfolgungsindex 2019" spricht die Organisation von mittlerweile elf Ländern, bei denen man von einer "extremen Christenverfolgung" sprechen müsse. Noch vor fünf Jahren galt das lediglich für ein Land: Nordkorea. Hunderte Millionen Christen hätten unter solch extremer Verfolgung zu leiden.
Indien auf Platz zehn vorgerückt
Das Spektrum der zehn schlimmsten, bedrohlichen Länder reicht heute von Afrika bis Asien. Nicht nur "übliche Verdächtige" wie der Iran, Somalia oder der Sudan und Kriegsregionen wie Jemen und Afghanistan gehören zu dieser Spitzengruppe, sondern auch Länder wie Indien und Eritrea. Syrien folgt übrigens erst auf Platz elf.
Die bekannteste Einzelperson, die im vergangenen Jahr zur Symbolfigur einer verfolgten Christin wurde und die "Open Doors" thematisiert, ist die Pakistanerin Asia Bibi. Der Fall der einfachen Frau, Mutter mehrerer Kinder, sorgte für weltweite Besorgnis und internationale Kampagnen. Bibi, selbst Analphabetin, wurde bereits 2010 wegen angeblicher Gotteslästerung zum Tode verurteilt. Als Ende Oktober 2018 der Oberste Gerichtshof Pakistans das Urteil verwarf, kam es zu tagelangen Krawallen islamistischer Extremisten. Für "Open Doors" ist der dramatische Fall bezeichnend. Pakistan sei neben Nigeria das Land mit dem höchsten Gewaltaufkommen gegen Christen. Gewalt gegen Christen sei etwas Alltägliches. Und besonders gefährdet seien christliche Mädchen und Frauen. Vielfach würden Frauen entführt, zwangsverheiratet, zur Konversion gezwungen.
Verfolgt in der eigenen Familie
In seinen Materialien führt "Open Doors" diverse Verfolgungsmuster an. Da ist - an erster Stelle genannt - die Verfolgung durch die eigene Familie im Falle eines Religionswechsels vom Islam zum Christentum. Weitere Gefährdungen für Christen sind die Verfolgung durch extremistische Gruppen wie dem Islamischen Staat, Abu Sayyaf oder Boko Haram oder Verfolgung durch - Beispiel Indien - eine gesamte Gesellschaft. Aber deutlich wird, dass diese Bedrohungskontexte nicht allein Christen gelten, sondern auch Angehörigen anderer religiöser Minderheiten.
Die Statistik listet die 50 Länder auf, in denen Christen nach Darstellung von "Open Doors" in ihrer Religionsfreiheit am stärksten verfolgt und benachteiligt werden. Dabei zeigt sich bei der nach wie vor hohen Bedrohung durch radikale Islamisten eine Verschiebung. Aus dem Irak und Syrien hätten sich (ehemalige) IS-Kämpfer in anderen Ländern der Region, aber auch in Asien und im südlichen Afrika, festgesetzt.
Umfassende Erhebungen
Das Hilfswerk unterstützt nach eigenen Angaben verfolgte Christen in etwa 60 Ländern weltweit. Die Organisation bezeichnet sich als überkonfessionell, steht aber der evangelikalen Deutschen Evangelischen Allianz nah. Nicht immer wird mit Nothilfeprogrammen geholfen, sondern auch mit der Lieferung von Bibeln, der Unterstützung von deren Übersetzung und theologischen Schulungen.
Die Daten für den Weltverfolgungsindex werden über Antworten zu einem umfangreichen Fragenkatalog ermittelt, den das Netzwerk alljährlich eigenen Fachleuten, externen Experten und Kirchenleitern vor Ort vorlegt. Trotz Schwächen kann das Ranking bei einer Einordnung helfen, weil die Befragten vor Ort einen unmittelbaren Einblick in die Situation des betreffenden Landes haben.