Streit um Strauss-Kahn-Nachfolge voll entbrannt
19. Mai 2011Auf den nächsten IWF-Chef warten große Herausforderungen. Ein Ende der europäischen Schuldenkrise ist noch lange nicht in Sicht, und auch in den USA verschärft sich die Haushaltslage zusehends. In vielen Schwellenländern dagegen wächst wegen des rasanten Wirtschaftswachstums der Inflationsdruck, ihre Währungen stehen wegen enormer Kapitalzuflüsse aus dem Ausland unter erheblichem Aufwertungsdruck.
Zudem erheben sie Ansprüche auf den Chefposten der Washingtoner Finanzinstitution, weil dies ihrem wachsenden ökonomischen Gewicht entsprechen würde. So sagt zum Beispiel Celso Amorim, ehemaliger brasilianischer Außenminister in der Regierung Lula, zu DW-WORLD: "Das ist ein Relikt der Vergangenheit, als die Weltgeschicke noch von den G7 gelenkt wurden. Das ergibt heute keinen Sinn mehr. Die größte Krise aller Zeiten, die wir gerade erleben, ist gerade durch die Industrienationen ausgelöst worden. Daher halte ich es für mehr als selbstverständlich, dass der neue IWF-Direktor aus einem Schwellenland kommt. Ich habe keinerlei Präferenzen, aber ein Chinese würde dem IWF mehr Gewicht verleihen."
Industrieländer immer noch Schwergewichte
Mit dem neuen ökonomischen Gewicht der Schwellenländer lässt sich allerdings kaum begründen, dass künftig kein Europäer mehr auf dem Chefsessel des Währungsfonds sitzen sollte. Allein die G7-Staaten, also Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Großbritannien, USA und Kanada stehen für 49 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Die BRIC-Länder, also Brasilien, Russland, Indien und China, kommen zusammen auf 18 Prozent. Die Mitgliedsländer der Europäischen Union erwirtschaften 25 Prozent des globalen Bruttoinlandsprodukts. Die EU ist somit ökonomisch noch immer wesentlich bedeutender als die Schwellenländer.
Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, hält die ganze Diskussion um wirtschaftliche Gewichte, Quoten, Kapitaleinlagen und Stimmrechte ohnehin für wenig hilfreich. Nach seiner Meinung sollte allein die Eignung und die Kompetenz entscheiden, so Snower zu DW-WORLD: "Wer an der Spitze des Währungsfonds steht, ist wichtig für Verhandlungen, und daher soll es um Kompetenz gehen. Das relative Gewicht in Bezug auf Bruttonationalprodukt oder Wachstum oder ähnliches ist weniger wichtig als die Fähigkeiten dieser Person."
Natürlich ein Europäer?
Allerdings: Sollte ein Kandidat aus den Schwellenländern das Rennen machen, könnte die Schuldenkrise in Euroland schnell aus dem Fokus des IWF geraten, sagt Michael Bräuniger, Forschungsdirektor am Hamburgischen Weltwirtschaftsinstitut "Wichtig ist die Kommunikation mit den Europäischen Regierungschefs: Es ist sehr viel besser, wenn es hier ein Vertrauensverhältnis gibt, wenn derjenige die Lage in Europa beurteilen kann. Es geht um die politische Durchsetzung von Maßnahmen in Europa, und hier wäre es sicherlich besser, wenn es ein Europäer wäre."
Andere argumentieren genau andersherum. So kann sich der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU im Bundestag, Michael Fuchs, durchaus einen Vertreter der aufstrebenden Schwellenländer an der Spitze des Währungsfonds vorstellen. Sein Argument: In der Euro-Schuldenkrise könnte es einem Nicht-Europäer als IWF-Chef leichter fallen, eine Rückkehr zu einer soliden Haushaltspolitik durchzusetzen.
Für und Wider
Argumente gibt es also sowohl für die eine als auch für die andere Seite. Dennis Snower, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft, ist da allerdings ganz anderer Meinung: "Ich glaube, es spricht nichts für das eine oder das andere. Die beste Person soll diesen Posten bekommen. Es soll keine Region ein Recht darauf haben. Hier geht es um sehr viel, weil der Währungsfonds wichtig ist in Bezug auf den Ausgleich von makroökonomischen Ungleichgewichten zwischen den Ländern. Europäer, Amerikaner, Fachleute aus dem Fernen Osten und anderswo können geeignet sein, so ein Amt innezuhaben."
Autor: Rolf Wenkel
Redaktion: Dirk Kaufmann