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Risiken und Nebenwirkungen nicht ausgeschlossen

Kersten Knipp19. Dezember 2014

Ein an die Öffentlichkeit gelangter Bericht dokumentiert, mit welchen Methoden die CIA weltweit Jagd auf Terroristen macht. Jetzt wird erneut über ethische und politische Fragen des "war on terror" diskutiert.

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USA Wikileaks veröffentlicht CIA-Strategiepapier zu gezielten Tötungen
Bild: Wikileaks

Es waren keine guten Wochen für die CIA. Erst erfuhr die Welt über die Folterpraktiken des amerikanischen Geheimdienstes. Und jetzt nimmt sie zur Kenntnis, wie dieser Jagd auf "Zielpersonen" macht. So heißen in der Sprache der CIA alle, die von den USA zu Feinden erklärt werden. Das nun an die Öffentlichkeit gelangte Papier mit dem Titel "Best Practices in Counterinsurgency" (Empfehlungen für die Aufstandsbekämpfung) versteht sich selbst als Anleitung zum "High Value Targeting" - es beschäftigt sich also mit der Technik, "hochwertige Ziele anzuvisieren". Der Begriff "Targeting", schreibt die Süddeutsche Zeitung in ihrer Ausgabe vom 19.12.2014, "steht für nichts anders als den geplanten Abschuss von führenden Aufständischen, von Revolutionären und Terrorchefs".

Tatsächlich ist die Sprache in dem Papier äußerst zurückhaltend. Die Autoren sprechen weder von "Menschen" noch von "Gegnern", sondern nur von "Zielen" oder "Zielpersonen". Der neutrale Sprachgebrauch sei bewusst gewählt, sagt der Politikwissenschaftler Hendrik Hegemann vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg. Die allzu entschlossene und selbstgewisse Rhetorik nach den Anschlägen vom 11. September 2001 pflege das Papier nicht mehr. Angesichts der hohen politischen, ökonomischen und menschlichen Kosten, die der von dem ehemaligen Präsidenten George W. Bush einst verkündete "war on terror" verursacht habe, konzentriere sich das Papier nun auf die Frage höchstmöglicher Effizienz. "Allerdings wird das in einem Experten-Duktus vorgetragen, der suggeriert, man wisse, was man tue. Der Bericht will Professionalität ausdrücken. Insofern hat er natürlich eine legitimierende Funktion. "

Nebenwirkungen des "war on terror"

Die westlichen Geheimdienste stehen vor der Schwierigkeit, dass auch der Kampf gegen Terrorganisationen wie den "Islamischen Staat" unerwünschte Nebenwirkungen haben kann. Denn jeder Angriff, sagt Hendrik Hegemann, spiele ihnen propagandistisch in die Hände. "Dschihadisten können sich auf das Argument stützen, der Westen töte illegal Muslime. Strategien wie die der CIA könnten aus dieser Sicht eher schaden als nutzen."

MQ-9 Reaper Drohne Drohnenkrieg Ziel Drohnenangriff (Foto: Gett Images)
Kriegsgerät mit Nebenwirkung: Drohne vom Typ "Predator"Bild: Getty Images

Hinzu kommt: Viele Versuche, terroristische Gruppen auszuschalten, erreichen ihre Ziele nur bedingt. Gerade bei Drohnenangriffen kommen oft Unbeteiligte ums Leben. Und statt der "high-value-targets" werden Kämpfer mit einfachen Aufgaben getroffen, die aus organisatorisch-strategischer Sicht leicht zu ersetzen sind. Bei Angriffen auf Trainingscamps etwa sterben meist einfache Rekruten – dass auch die führenden Köpfe getroffen werden, ist keineswegs ausgemacht. Angriffe mit Drohnen sind immer auch Glückssache. Der "Islamische Staat" hat derzeit wenige Probleme, neue Kämpfer zu rekrutieren. Kommen sie bei Angriffen ums Leben, schwächt das die Organisation nur bedingt.

Vor allem aber erzielen Geheimdienstoperationen nur sehr kurzfristige Erfolge. So könnten sie die Schlagkraft terroristischer oder dschihadistischer Organisationen zwar schwächen. Aber die politischen Probleme, aus denen diese hervorgegangen sind, lassen sie unberührt. So hat der Kampf gegen die Taliban in Pakistan und Afghanistan diese immer nur eine Zeitlang zurückdrängen können. Die grundsätzlichen Probleme – Korruption, Machtmissbrauch, nicht oder nicht hinreichend legitimierte Herrschaft – bestehen weiter. Langfristig muss der Ansatz darum ein politischer sein.

Taliban-Kämpfer in Peshawar, 17.12. 2014 (Foto: Reuters)
Unbeeindruckt von den Geheimdiensten: Taliban-KämpferBild: Reuters/Pakistan Taliban

Westliches Selbstverständnis in Frage gestellt

Nicht zuletzt stellt das Wirken ihrer Geheimdienste auch das politische Selbstverständnis der westlichen Staaten infrage. Geheimdienste sind auf Geheimhaltung angewiesen. Die Frage ist aber, wie weit diese gehen darf. Dürfen Geheimdienste ohne gerichtliche Entscheidung darüber entscheiden, tödliche Operationen durchzuführen? Dürfen sie Folter einsetzen? Nach den jüngsten Enthüllungen über die Arbeit der CIA steht diese unter hohem Rechtfertigungsdruck.

Die CIA, sagt Hendrik Hegemann, sei im Begriff, sich in eine Schattenarmee zu verwandeln. "Darum muss man sich fragen, ob man sie mit einer Lizenz zum Töten ausstatten sollte." Die Frage ist nicht nur ethisch, sondern auch politisch von Bedeutung. Staaten, deren Geheimdienste ohne jede gerichtliche Kontrolle über Leben und Tod entscheiden, haben es schwer, die Herzen der Menschen zu gewinnen, in deren Heimat sie operieren. Ohne deren Unterstützung ist jedes militärische Engagement auf Dauer aber zum Scheitern verurteilt.

George W. Bush erklärt Irakkrieg für beendet, 1.5.2003 (Foto: AFP / Getty Images)
Geistiger Vater des "war on terror": George W. BushBild: S.Jaffe/AFP/GettyImages