VW unter Druck der EU
5. Juni 2008Brüssel wirft der Bundesregierung vor, sie habe das gut sieben Monate alte Urteil des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) zu dem Schutzgesetz für Volkswagen nicht umgesetzt. Während die Bundesregierung das Vorgehen für unbegründet hält, kommt Zustimmung von Porsche. Der Stuttgarter Sportwagenbauer besitzt rund 31 Prozent an VW und will seinen Anteil bis zum Herbst auf über 50 Prozent ausbauen.
EU-Kommission macht Druck
Noch vor der Verabschiedung des neuen VW-Gesetzes durch den Bundestag zeigt die EU-Kommission Berlin die gelbe Karte. Die Brüsseler Behörde leitete am Donnerstag (05.06.2008) ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung ein, weil diese das Urteil des Europäischen Gerichtshofs gegen das bisherige VW-Gesetz missachte. Die Kommission reagierte damit auf die Absicht Berlins, dem VW-Großaktionär Niedersachsen auch künftig ein Vetorecht bei wichtigen Entscheidungen des Konzerns zu sichern.
Sollte die Bundesregierung an der letzte Woche vom Kabinett beschlossenen Neufassung des VW-Gesetzes festhalten, so droht eine neuerliche Klage und infolge möglicherweise eine hohe Geldstrafe.
Zwar bezog sich die EU-Kommission in ihrer Mitteilung zu dem Vertragsverletzungsverfahren nicht auf den Gesetzesentwurf, sondern forderte die Bundesregierung lediglich auf, Informationen über die Umsetzung des VW-Urteils vom Herbst zu übermitteln. In den vergangenen Monaten hat die Kommission die geplante Gesetzesnovelle aber schriftlich und mündlich mehrfach kritisiert.
Bundesregierung und Niedersachsen verteidigen Gesetzesnovelle
Berlin reagierte gelassen auf die Eröffnung des Vertragsverletzungsverfahrens. Es gebe eine zweimonatige Frist, in der die Bundesregierung antworten werde, teilte das Justizministerium mit. Bundesumweltminister Sigmar Gabriel – ehemals Ministerpräsident in Niedersachsen – sagte, ein erstes Antwortschreiben an Brüssel sei schon abgeschickt worden. Der SPD-Politiker warf in Anspielung auf die geplante Machtübernahme des Porsche-Konzerns bei VW vor, "einseitig das Interesse von Großaktionären" zu unterstützen. Eine Abschaffung des Vetorechts Niedersachsens bei wichtigen Unternehmensentscheidungen, wie sie die Kommission verlangt, würde den Einfluss des VW-Großaktionärs Porsche stärken. Auch der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) verteidigte die geplante Gesetzesnovelle. In den nächsten Wochen gelte es, den Nachweis zu führen, dass in der Novelle des VW-Gesetzes die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs "eins zu eins" umgesetzt werde.
Das Gericht hatte beanstandet, dass nach dem alten VW-Gesetz Niedersachsen und der Bund automatisch im Verwaltungsrat des Konzerns vertreten sind, dass die Stimmrechte eines einzelnen Anteilseigners auf maximal 20 Prozent begrenzt waren und dass die Sperrminorität bei VW auf 20 Prozent festgelegt war.
Porsche: Kritik am neuen VW-Gesetz
Ein Sprecher des Autobauers Porsche bekräftigte die Kritik des Unternehmens am neuen VW-Gesetz. Der Stuttgarter Sportwagenbauer sehe weiterhin "keine Notwendigkeit" eines neuen VW-Gesetzes. Porsche ist größter VW-Aktionär und hält zurzeit etwa 30 Prozent der Anteile. Der Sportwagenbauer will seinen Anteil an VW allerdings auf über 50 Prozent steigern - sobald die Vorrechte von Niedersachsen gestrichen sind.
IG Metall: "fatales Signal vor Europawahl"
Der Europäische VW-Konzernbetriebsrat zeigte sich dagegen enttäuscht. Die Beschäftigten von Volkswagen könnten nicht nachvollziehen, warum wichtige Schutzfunktionen für Arbeitnehmer angegriffen würden. IG-Metall-Chef Berthold Huber wertete das Vorgehen der Kommission als fatales Signal für die Europawahl im Juni. Es führe "nicht dazu, dass die Zuversicht von Arbeitnehmern in die soziale Ausgestaltung Europas gestärkt wird", kritisierte Huber. (hp)