Strafanzeige gegen Rumsfeld
1. Dezember 2004In der Pressemappe für die Journalisten liegen Dokumente, in denen genau beschrieben wird, was irakische Gefangene im Gefängnis von Abu Ghraib erleiden mussten. Da liest man dann: Ahmed Shebab wurde unter anderem bis zur Bewusstlosigkeit geschlagen, ein amerikanischer Offizier hielt ihm ein Megaphon an die Ohren und schrie so laut, dass er sein Gehör verlor. Als er freigelassen wurde, teilte man ihm mit, man habe falsche Informationen über ihn erhalten - "sorry".
Keine Anklage gegen hohe Offiziere
Ähnliches erlebte Ahmed Derweesch, der mit kaltem Wasser übergossen, extremer Hitze ausgesetzt, mit Elektroschocks gefoltert und von Hunden attackiert wurde. Oder Faisal Abdullatif, der an seinen gefesselten Händen aufgehängt wurde und mit ansehen musste, wie ein männlicher Gefangener nackt dazu gezwungen wurde, Essen an Frauen zu verteilen. Auch gegen ihn lag nichts vor, sagt Rechtsanwalt Wolfgang Kaleck. Bisher seien in den USA nur niedrigrangige Soldaten für ihre Beteiligung an Gefangenen-Misshandlungen in dem Gefängnis Abu Ghraib bestraft worden. Kein höherrangiger Offizier sei in den USA bisher mit strafrechtlichen Ermittlungen konfrontiert worden, sagt der Anwalt.
Anzeige in Deutschland
Seit Dienstagmorgen (30.11.) liegt nun eine Strafanzeige gegen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld auf dem Tisch der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, ebenso gegen den ehemaligen Geheimdienstchef George Tenet sowie gegen acht weitere hohe Funktionäre. Wolfgang Kaleck hat die Anzeige eingereicht, und zwar im Namen der renommierten US-Menschenrechtsorganisation Center For Constitutional Rights (CCR). Ganz wohl sei ihm dabei nicht, gibt der CCR-Präsident, Michael Rattner, zu. "Diese Anzeige gegen hohe Offizielle der US-Regierung in Deutschland einzureichen, ist etwas, was ich lieber nicht hätte tun müssen. Sehr viel lieber hätte ich es gesehen, wenn die Gerichte in den USA ernsthaft untersuchen würden, was im Irak geschehen ist, nämlich dass hohe Offizielle unmenschliche Behandlung und Folter autorisiert und erlaubt haben", sagt Rattner.
"Weltprinzip"
Doch in den USA schaue man weg, so Rattner. Völkerrecht und internationale Konventionen würden ignoriert, im Kampf gegen den Terror sei unter Präsident George W. Bush so ziemlich alles erlaubt. Und so bliebe den Amerikanern nichts anderes übrig, als den Gang nach Deutschland zu wagen. Denn das deutsche Recht, so Michael Rattner, sei dafür das beste der Welt. Wolfgang Kaleck erklärt, dass es in Deutschland seit einigen Jahren ein sehr fortschrittliches Völkerstrafgesetzbuch gebe. Denn nach dem "Weltprinzip" im deutschen Völkerstrafrecht heißt es, dass Strafen wie Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Völkermord unabhängig vom Tatort und unabhängig von der Nationalität der Täter und Opfer in Deutschland verfolgt werden können.
Wie groß die Chancen einer Strafanzeige gegen Rumsfeld und Co. tatsächlich sind, können die Kläger nur schwer einschätzen. Man sei aber hoffnungsvoll und wisse natürlich, das eines sehr wichtig sei: jede Menge Geduld.