Straßengebühren in Europa
4. November 2013Ganz glücklich sind die Österreicher auch nach 16 Jahren nicht. Als 1997 die Vignettenpflicht auf Autobahnen eingeführt wurde, stieß die neue Maut auf breite Ablehnung. Mittlerweile ist sie zumindest geduldet. "Die Zweckgebundenheit funktioniert und trägt zu einer Akzeptanz bei", sagt Bernhard Wiesinger, Sprecher des Automobilclubs ÖAMTC im DW-Gespräch. Das heißt: Die Einnahmen aus der Maut werden direkt wieder in den Straßenerhalt investiert.
Mittlerweile könnte Österreich einer deutschen Pkw-Maut als Vorbild dienen. "Das österreichische Mautsystem ist eines der modernsten in Europa", schwärmt Wiesinger. "In Österreich gibt es rund 2200 Kilometer Autobahn, 150 Tunnel und 5200 Brücken, die laufend kontrolliert und saniert werden müssen".
Einnahmen in Milliardenhöhe
Rund 1,1 Milliarden Euro nimmt die Lkw-Maut für den Straßenbau ein. Fast 400 Millionen Euro kommen durch die Vignette hinzu. Die Kosten halten sich im Rahmen, da es das "Pickerl", wie die Österreicher ihre Plakette nennen, auch für kürzere Zeiträume gibt. Die Jahres-Vignette kostet 80,60 Euro, die Zweimonatsvignette 24,20 Euro. Zehn Tage Autofahren kosten 8,30 Euro. In der Schweiz gibt es dagegen nur eine Plakette für das ganze Jahr.
Geplant war die Vignette in Österreich als Übergangslösung. Eigentlich hatte die Regierung ein kilometerabhängiges Mautsystem einführen wollen. "Ich glaube nicht, dass es noch kommen wird", sagt Wiesinger, der die Vignette für das "kleinere Übel" hält. "Die Kosten sind viel geringer." Sieben Prozent der Einnahmen durch die Vignette fließen in die Verwaltung. Bei einem kilometerabhängigen System müsse man mit mindestens 15 Prozent rechnen, da allein die notwendige Technik schon teurer wäre.
Alternatives System: Die kilometerabhängige Maut
Solch eine streckenbezogene Maut gibt es in Ländern wie Italien, Spanien und Frankreich. In Frankreich sind die Autobahnen, anders als in Österreich und Deutschland, zum Großteil in privater Hand. Das regelt ein 1955 zur Finanzierung der Strecken erlassenes Gesetz. Diese Regelung führt dazu, dass nicht jede Route in Frankreich kostenpflichtig ist. An vielen Strecken befinden sich aber Mautstationen, an denen die Autofahrer größtenteils mit Bargeld für die gefahrene Strecke zahlen müssen. Von den rund sieben Cent pro Kilometer fließt wegen der Privatisierung ein Teil in den Gewinn der Betreiber. Der Rest wird zur Instandhaltung der Autobahnen benutzt.
Dieses System, umgesetzt auf staatlichen Autobahnen, würde in Deutschland nicht ausreichen, glaubt Bernhard Wieland, der an der Technischen Universität in Dresden an der Bepreisung von Infrastrukturen forscht: "Das System in Frankreich ist zu simpel." Ziel einer Maut sei es, dass die Autofahrer für die Benutzung der Infrastrukturen zahlen. "Sie müssen aber auch dafür zahlen, wie stark sie welche Straßen nutzen", sagt Wieland. Deshalb müsse es in Deutschland ein Mautsystem geben, das zeigt, welche Strecken zu welchen Tageszeiten wie häufig befahren werden. Nur so würde deutlich werden, wo die Einnahmen wieder investiert werden sollten. Generell hält Wieland den Einsatz einer streckenbezogenen Maut für die bessere Lösung, als die aus Österreich bekannte Vignette. Denn die, sagt er, sei eine Art Flatrate. "Das halte ich ökonomisch nicht für sinnvoll."
An der Vignette führt kein Weg vorbei
In der Theorie habe der Professor damit recht, pflichtet ihm Bernhard Wiesinger vom ÖAMTC bei, "in der Praxis ist es aber so, dass es sehr viele Pendler gibt. Für solche Menschen, die jeden Tag weite Strecken in die Arbeit fahren, müsste man wieder Ausnahmen schaffen." Ein Flatrate-System ließe sich daher nicht vermeiden, glaubt Wiesinger, der auch mit dem öffentlichen Verkehr argumentiert. "Dann müsste man ja auch die Jahreskarte für Bus und Bahn abschaffen, weil das eine Flatrate ist." Er glaubt, dass kein Weg an der Vignette vorbeiführt, sollte Deutschland eine Maut beschließen. "Bei uns ist sie ein Erfolgsmodell mit kleinen Schönheitsfehlern." Ganz unglücklich sind die Österreicher damit nach 16 Jahren schließlich nicht.