Olympic Moments
17. Juni 1956. Der Parcours ist schwierig, bei jedem Ritt fällt mindestens eine Stange. Fritz Tiedemann und Alfons Lütke-Westhues haben sich im ersten Durchgang verhältnismäßig gut geschlagen, nun ist der dritte und letzte deutsche Reiter an der Reihe - Hans-Günter Winkler. Auf seinem Pferd Halla absolviert der amtierende Weltmeister einen fehlerlosen Ritt - bis zum vorletzten Hindernis.
"Ein Hindernis mit einer großen Fehlerquelle", erinnert sich der heute 83-Jährige, "weil die oberste Stange sehr lose war." Deshalb nimmt er das Pferd im Tempo zurück, doch die Stute will ausbrechen, deshalb drückt Winkler die Beine fest zusammen, und dann ist es passiert. "Es machte Beng und meine Leiste war kaputt." Am letzten Hindernis machen Ross und Reiter daraufhin einen Fehler, aber sie schaffen es über die Ziellinie. Winkler hat sich einen Leistenbruch und einen Bauchmuskelriss zugezogen, man verabreicht ihm ein Zäpfchen, das stark genug ist, um ein Pferd umzuhauen. "Ich war benebelt, als wenn mir einer vor den Kopf gehauen hätte", erzählt Winkler.
"Sie ist um ihr Leben gesprungen"
Doch der völlig benommenen Winkler will und muss reiten, es gibt keinen Ersatzreiter, seine beiden Mannschaftskameraden haben auch den 2. Durchgang gut bewältigt, Deutschland liegt vorn, alles hängt nun von ihm und Halla ab. "Ich bin dann zum König geritten, habe salutiert und an der langen Leine angeritten. Halla muss gespürt haben, um was es ging." Denn eine normale Reaktion wäre gewesen, dass das Pferd hochgesprungen und dann zu kurz gesprungen wäre und das Hindernis mitgerissen hätte. "Nein", sagt Winkler. "Sie sprang fast ohne meine Hilfe und sie ist um ihr Leben gesprungen."
Hans-Günther Winkler gelingt der einzige Null-Fehler-Ritt - obwohl er verletzt ist. Er gewinnt Gold mit der Mannschaft und auch im Einzel. Der Ritt wird zur Legende und Halla, das einstige ausgemusterte Militarypferd wird weltweit als Wunderstute bekannt. „Sie ist auch eine Wunderstute, eine Ausnahme, die Geschichte ist eine Ausnahme.“ Als Halla 1979 stirbt, verfügt die Reiterliche Vereinigung, dass kein Turnierpferd mehr unter diesem Namen starten darf. Denn Wunder sind etwas Einmaliges.