Stille Nacht, heilige Nacht in Bethlehem?
23. Dezember 2017Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
Bethlehem: Der Ort, an dem nach biblischer Überlieferung Jesus geboren wurde. Von hier ging vor 2000 Jahren eine Botschaft des Friedens aus, die nach christlichem Verständnis immer noch gilt. Die Christen im heutigen Bethlehem würden den Weihnachtsfrieden gerne in diesen Tagen feiern. Aber das ist gar nicht so leicht.
Seitdem Donald Trump verkündet hat, Jerusalem als Hauptstadt Israels anzuerkennen, gerät auch Bethlehem, das heute zum palästinensischen Westjordanland gehört, in einen ganz anderen Fokus. Aufnahmen zeigten junge Palästinenser, die Fotos des US-Präsidenten verbrannten. Auf der Hebronstraße unterhalb der Altstadt kam es zu Zusammenstößen zwischen Palästinensern und israelischen Soldaten. Die Palästinenser warfen mit Steinen und zündeten Autoreifen an. Die israelischen Soldaten setzten Tränengas und Gummigeschosse ein.
Für Pater Nikodemus von der katholischen Dormitio-Abtei in Jerusalem, ist all das "ein besonderer Schmerz". Der Benediktinermönch lebt seit bald 15 Jahren in dem Kloster auf dem Jerusalemer Berg Zion. Er hat viele Unruhen und Kriege zwischen Israelis und Palästinensern beobachtet. Und doch sagt er: "Der Ort an dem der Friedensfürst Mensch wurde, in dieser Stadt gibt es nichts Fremderes als den Unfrieden, den Krieg."
Die Mauer trennt Bethlehem von Jerusalem
Dass es in Bethlehem nach der Jerusalem-Erklärung Trumps zu Unruhen kam, überrascht den Mönch nicht. "Ich empfinde Bethlehem und Jerusalem als Zwillingsstädte." Jerusalem, die große, Bethlehem, die kleine Stadt, so stehe es schon in der Bibel. Bethlehem, die Geburtsstadt des jüdischen Königs David und rund 1000 Jahre später die Geburtsstadt Jesu. Jerusalem, die Stadt, in der beide ihr Wirken entfalteten. Im UN-Teilungsplan von 1947 sollte nicht nur Jerusalem internationalen Status erhalten, sondern auch Bethlehem. "Diese Orte sind zu groß, zu universal. Sie können nicht nationalistisch kleinkariert verengt werden." Heute, sagt Nikodemus, sei man weit davon entfernt, als Minimallösung auch nur die Jerusalemer Altstadt unter internationale Aufsicht zu stellen.
Nur wenige Kilometer liegen zwischen Jerusalem und Bethlehem. Doch die beiden Städte sind getrennt durch eine zehn Meter hohe Betonmauer, gebaut und kontrolliert von Israel. Durch den Checkpoint kommt nur, wer eine Genehmigung hat.
Der Palästinenser Kamal Mukarker hat erst seit wenigen Wochen einen Passierschein. Vorher begleitete der Touristenführer Pilger zwar häufig in die Bethlehemer Geburtsgrotte, doch in die Jerusalemer Grabeskirche konnte er nicht. Für Touristen ist es leicht, den Checkpoint zu passieren. Viele kommen mal eben für zwei Stunden von Jerusalem nach Bethlehem. Ihr Ziel: die Geburtskirche.
"Ich frage dann immer: Wollt ihr nicht noch ein bisschen mehr von Bethlehem sehen?", erzählt Mukarker, der Christ ist und in Deutschland studiert hat. Meist wollten sie. Und seien ganz begeistert von der Altstadt, vom Markt, von den Menschen. "Es hat ihnen vorher nur nie jemand gesagt, dass Bethlehem mehr ist als die Geburtskirche."
Erinnerung an 2002: Die Geburtskirche unter Beschuss
Nach Trumps Jerusalem-Erklärung bleiben erstmal die Touristen aus. Selbst eines der größten Hotels der Stadt, Jacir Palace, musste für einige Tage schließen. Von den 250 Zimmern waren gerade einmal 11 belegt. Mehrere Länder haben Reisewarnungen für das Westjordanland ausgesprochen. Sechs Reisegruppen haben bei Mukarker bereits ihre Touren abgesagt. Dennoch sagt er: "Wenn die Palästinenser nicht auf die Straße gehen gegen das, was Trump gesagt hat, dann denkt die Welt, das ist denen egal, wenn Jerusalem die Hauptstadt von Israel ist." Die Proteste seien wichtig gewesen, "auch wenn uns das mehr geschadet als genutzt hat."
Touristen seien von den Demonstrationen nie betroffen gewesen. "Keinem Touristen ist je etwas passiert. Nicht einmal in Kriegszeiten." Nicht einmal 2002. Damals, auf dem Höhepunkt der Zweiten Intifada, hatten sich palästinensische Kämpfer in der Geburtskirche verschanzt. Acht Tage lang belagerte die Israelische Armee die Kirche. Mukarker erinnert sich noch gut daran. "Damals fühlten wir uns im Stich gelassen, auch von den Christen weltweit", sagt er. Acht Menschen starben, bis auch unter Vermittlung des Vatikan eine Einigung zwischen Israelis und Palästinensern getroffen wurde.
Angst vor einer dritten Intifada
"Ich glaube, wir Palästinenser haben gelernt, dass mit Aufständen mehr zu verlieren ist als zu gewinnen. Wir sind einen harten Weg gegangen. Jetzt wollen wir durch friedliche Aktionen, durch UN-Resolutionen zum Beispiel, Druck auf Israel machen. Ich glaube, die Palästinenser verstehen, wir müssen die Lage so friedlich halten wie möglich, damit mehr Menschen hierhin kommen und die politische Lage mit ihren eigenen Augen sehen können."
Zurzeit sei man weit entfernt von einer dritten Intifada, da sind sich der Palästinenser Mukarker und der deutsche Mönch Nikodemus einig. Zu dieser hatte der Chef der islamistischen Hamas, Ismail Hanija, aus dem Gazastreifen aufgerufen. Intifada - ein Wort, dass bei Israelis und Palästinensern wie auch weltweit Ängste auslöst. Pater Nikodemus war gerade erst wieder im Gazastreifen. Noch nie habe er so offene Kritik an der Hamas erlebt.
"Ich glaube, die Palästinenser haben keine Lust, sich zum Handlanger der Hamas zu machen." Die Hamas habe komplett abgewirtschaftet und rufe jetzt zu einer neuen Intifada auf. "Da sagen viele Palästinenser: Ich lass mir doch jetzt nicht von der Hamas vorschreiben, dass ich eine Intifada mache und die schreiben es sich dann auf die Fahnen." Was ihn viel eher beunruhige sei die starke Resignation vieler Palästinenser, die er sowohl im Gazastreifen als auch im Westjordanland spüre. Das Gefühl, es ändere sich doch ohnehin nichts.
Haben die Engel die Sprache der Menschen gesprochen?
Auch Mukarker hat diese Momente, in denen ihn die Hoffnung verlässt. "Manchmal denke ich, die Menschen finden immer wieder zu Krieg und Unruhen zurück", sagt er. "Die frohe Botschaft der Weihnachtsgeschichte ist ausgerechnet hier im Land nicht angekommen." Er versucht es mit Humor: "Vielleicht haben die Engel einfach kein Hebräisch und kein Arabisch gesprochen?"
Dann aber schaue er auf die Geburtskirche und sage sich, über wie viele Jahrhunderte hinweg dieser Ort Menschen Hoffnung gespendet habe. "Hierhin kommen Gemeinden aus der ganzen Welt, Kopten, syrisch-orthodoxe Christen, Katholiken und andere. Das allein gibt mir als Christ Hoffnung. Und als Reiseleiter bedeutet es für mich: Ich habe Arbeit, ich kann meine Familie ernähren." Einige Hotels sagen, sie seien immerhin für die Weihnacht wieder nahezu ausgebucht.
Jedes Jahr in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember wandert Pater Nikodemus mit seiner Gemeinde von Jerusalem nach Bethlehem. Sie haben dann immer eine Rolle mit tausenden Namen von Menschen dabei, die Weihnachten in Bethlehem sein möchten, es aber nicht können. Auch diese Weihnachten werden sie die Rolle segnen und zur Geburtskirche bringen. Politische Unruhen können ihn und seine Mitbrüder nicht davon abhalten. "Fürchtet euch nicht". So steht es in der der Bibel. Auch der Minderheit der Christen in der Region möchte Nikodemus sagen: "Seid mutig, habt keine Angst, blickt hoffnungsvoll in die Zukunft."
Auf dem Krippenplatz vor der Geburtskirche steht ein großer Weihnachtsbaum. Die Bethlehemer Stadtverwaltung hatte nach Donald Trumps Jerusalem-Rede die Lichter des Baumes ausgeschaltet. Aus Protest. Mittlerweile leuchtet der Baum wieder - vielleicht ein kleines Hoffnungszeichen.