Stille Entschlossenheit
19. März 2014Der russische Präsident hat die USA bei der Krim-Krise schwach aussehen lassen. So poltern viele amerikanische Politiker im Kongress. Und nicht nur dort. Wladimir Putin schaffe Fakten, während der amerikanische Präsident nur drohe oder symbolische Sanktionen erlasse. Washington sei nicht länger willens zu führen, so heißt es.
Der Abgesang auf die Supermacht USA kommt aber zu früh. Die kommenden Wochen und Monate werden zeigen, dass Präsident Obama Russland einen hohen Preis für Putins Eingreifen auf der Krim zahlen läßt. Wer in Washington mit seinen Beratern spricht, spürt deren Entschlossenheit. Amerika wird Waffen einsetzen, die ihre Wirkung erst im Laufe der Zeit entfalten. Vor allem wirtschaftliche Sanktionen.
Strafmaßnahmen würden Russland schwer treffen
Russland ist darauf angewiesen, sich auf den internationalen Finanzmärkten Geld zu besorgen: für Investitionen in die eigene Wirtschaft oder um laufende Geschäfte abzuwickeln. Banken und Finanzinstitute, die das regeln, operieren international. Für sie ist Russland mit seiner vergleichsweise geringen Wirtschaftskraft bestenfalls ein Nebengeschäft. Sie werden den Geldhahn nach und nach zumachen, wenn die USA dies verlangen. Die Folge: Für Moskau wird es noch schwerer, seine Wirtschaft zu modernisieren. Russland wird noch mehr auf den Export seiner Rohstoffe angewiesen sein.
Auch diese offene Flanke der Russen wird Washington angreifen: Ziel ist es, die Abhängigkeit Europas von russischem Gas und Öl zu verringern. Die USA und Kanada planen schon lange den Export ihres Flüssiggases ins Ausland. Bislang dachten die Nordamerikaner dabei allerdings eher an Asien, vor allem weil die Gas-Preise dort höher sind als in Europa. Außerdem wächst die Wirtschaft dort stärker. Doch da Russland den Verkauf seiner Rohstoffe als Waffe einsetzt, bleibt den Amerikanern nichts anderes übrig als zukünftig auch an Europa zu liefern.
Verteidigungspolitik rückt in den Fokus
Russlands Einverleiben der Krim wird es den Amerikanern beim bevorstehenden G7-Treffen leichter machen, die Europäer davon zu überzeugen, mehr Geld für Verteidigung auszugeben. Seit Jahren bemüht sich Washington darum - bislang vergebens. Vor allem nach der Bombardierung Belgrads 1999 war die Bereitschaft der Europäer, die Verteidigungsausgaben aufzustocken, eher gering. Sehr zum Ärger Washingtons. So mancher US-Verteidigungsminister drohte indirekt mit dem Rückzug der Amerikaner aus der NATO.
Doch auch das gehört nun - dank Putin - der Vergangenheit an. Nichts stärkt ein Militärbündnis mehr als ein gemeinsamer Feind. Bei seinem Besuch in Brüssel Ende März wird Obama die Bedeutung der NATO hervorheben. Die Polen, Ungarn oder die Balten werden ihm beipflichten und auf die neue Bedrohung im Osten Europas verweisen. Deutschland und Frankreich werden es schwer haben, sich bedeckt zu halten. Die NATO hat wieder eine Aufgabe. Im übrigen lassen Obamas Berater keinen Zweifel daran, dass auch die NATO-Mitgliedschaft der Ukraine vorangetrieben werden soll. In diesem Jahr steht dies noch nicht auf der politischen Agenda. Doch 2015 oder 2016 könnte es schon soweit sein.
Krim-Konflikt könnte überschwappen
Insgesamt geht es den Amerikanern nicht um Rache an Russland. Sie hätten Moskau lieber fest an ihrer Seite bei der Lösung internationaler Probleme wie dem Bürgerkrieg in Syrien oder dem Iran-Konflikt. Washington geht es um Stabilität; um die Aufrechterhaltung jener Weltordnung, die die USA in den vergangenen Jahrzehnten geschaffen haben. Wenn Obama Russland bei der Krimfrage davonkommen lässt, wird dies Folgen für andere post-sowjetische Staaten haben, so denkt man im Weißen Haus. Denn ganz gleich ob im Baltikum oder in den zentralasiatischen Staaten: überall leben russische Minderheiten. Diese Länder könnte Moskau vor die Wahl stellen: entweder sich Russland unterzuordnen oder mit einem militärischen Eingreifen Russlands rechnen zu müssen. So weit will und wird es Washington nicht kommen lassen.