Die umstrittene Stierhatz von Pamplona
8. Juli 2023Pamplona - der Name der nordspanischen Stadt ist unweigerlich verbunden mit dem traditionell vom 06. bis zum 14. Juli stattfindenden Event, das Menschen aus verschiedenen Erdteilen anzieht: dem neuntägigen Festival "Sanfermines". Das Festival ist so berühmt wie umstritten.
Allabendlich sterben die am Morgen durch die engen Gassen getriebenen Stiere in der "Plaza de Toros" vor den Augen von 20.000 Besuchern in der Arena der Stadt. Ein Millionenpublikum verfolgt die Ereignisse an den TV-Bildschirmen.
Nicht nur für die Tiere endet das Spektakel tödlich. Gelegentlich sterben auch an der morgendlichen Hatz beteiligte Läufer - genannt "Mozos" - oder, seltener, einer der Toreros in der Stierkampfarena. Zuletzt kam 2016 der 29-jährige Víctor Barrio in Pamplona zu Tode. Sein Gegenüber, Kampfstier Lorenzo, durchstach ihm beim Kampf Mensch gegen Stier das Herz; Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos. Seit 1911 sind insgesamt 16 Todesfälle mit den Stierläufen und -kämpfen von Pamplona verbunden.
Verletzte bei den ersten Stierläufen 2023
Mit verstauchtem Finger und einer Beule am Knie ist Patxi Ibáñez noch einmal glimpflich davongekommen. Wie die Deutsche Presse-Agentur (DPA) berichtet, ging der 50-Jährige bei der ersten von insgesamt acht Stierläufen, den "encierros", zu Boden. Doch Ibáñez hatte Glück: Keiner der bis zu 600 Kilogramm schweren Bullen überrannte ihn oder spießte ihn gar mit den Hörnern auf.
Insgesamt wurden bei den ersten beiden Läufen am Freitag- und Samstagmorgen zehn Menschen verletzt. Keiner von ihnen schwebt in Lebensgefahr, wie ein Sprecher des Roten Kreuzes dem spanischen Fernsehen mitteilte.
Die Läufe beginnen morgens pünktlich um acht Uhr und führen über eine 850 Meter lange Strecke durch die Gassen der Altstadt zur Stierkampfarena. Selten dauern die "encierros" länger als drei Minuten.
Bei jeder Hatz werden je sechs Stiere eines Zuchtbetriebes, begleitet von vier zahmen Ochsen und hunderten Menschen zur Stierkampfarena getrieben, wo sie am Abend ihren letzten großen Auftritt haben. Jeder Stier hat einen Namen. In den im staatlichen Fernsehen übertragenen Sendungen wird das Kampfgewicht hervorgehoben. Mut und Angriffslust der Tiere sind genauso Teil der Berichterstattung wie der Zuchtbetrieb, aus dem er stammt.
Auch die Führungskraft und Geschwindigkeit der Leitochsen sind Thema. Sind sie zu langsam, kommt es bei der Hatz zu gefährlichen Staus in den engen Gassen; sind sie zu schnell, ist das Spektakel in der Regel kurz und langweilig. Doch es kann auch passieren, dass ein Stier aus der Herde den Anschluss verliert und die Menschen um sich herum angreift.
Kritik am Tiersterben
Als Tierquälerei rein aus Vergnügen betrachten viele die abendlichen Stierkämpfe auf der Plaza de Toros von Pamplona. In Spanien spaltet das blutige Kulturerbe zuweilen die Gesellschaft. Während die einen auf der Straße gegen die Kämpfe demonstrieren, wollen sich andere die Tradition nicht nehmen lassen. Rund 6000 Stiere sollen in den vergangenen 100 Jahren in der Arena gestorben sein.
Das Festival Sanfermines bedeute nichts anderes als "Gewalt und Tod für Stiere", kritisiert die Tierschutzorganisation PETA. Auf Twitter teilte sie ein Video von einer Demonstration am Vorabend des diesjährigen Auftakts. Gemeinsam hatten Aktivisten von PETA und einer weiteren Tierschutzorganisation ein "Meer aus Blut" auf der Plaza del Ayuntamiento von Pamplona gebildet, um gegen das Treiben zu protestieren.
Ein blutiges Festival mit langer Tradition
Das Fest zu Ehren des Stadtheiligen San Fermín wird bereits seit mehr als 400 Jahren begangen. Der Legende nach soll San Fermín als Märtyrer geköpft worden sein. Der Sohn der Stadt hat im dritten Jahrhundert das französische Amiens missioniert. Bei der feierlichen Eröffnung des Festivals, genannt "Chupinazo", ehren ihn die Menschen noch immer mit "Viva San Fermín"-Rufen.
Der Startschuss erfolgte auch 2023 mittels einer kleinen Rakete, die am Mittag des 06. Juli vom Rathaus-Balkon aus abgeschossen wurde. Daraufhin tanzten und sangen Tausende auf dem Platz und in den angrenzenden Gassen, und schwenkten ihre Halstücher im traditionellen Rot, das an das Blut San Fermíns erinnern soll.
Stierläufe und Stierkämpfe als Wirtschaftsfaktor
Insgesamt werden zu "Sanfermines" jährlich bis zu eine Million Besucher erwartet - für Pamplona, einer Stadt mit circa 200.000 Einwohnern, ein großer Wirtschaftsfaktor. Durch das Festival erzielt sie nach Angaben der DPA schätzungsweise bis zu 100 Millionen Euro. Zum Festival gehört neben den in aller Welt bekannten Stierläufen und den abendlichen Kämpfen auch ein umfängliches Kulturprogramm.
Für die Bekanntheit der Stierläufe über Spanien hinaus, sorgte früh der US-Schriftsteller Ernest Hemingway. In seinem Roman "Fiesta", der 1926 unter dem englischen Titel "The Sun Also Rises" erschien, verarbeitet er seine Teilnahme an den Stierläufen 1925, wobei einer der Mozos zu Tode kam. Insgesamt neun Mal reiste Hemingway anlässlich des Festivals nach Pamplona. Sein erster Besuch jährt sich in diesem Jahr zum hundertsten Mal.
Bis heute lockt "Sanfermines" gerade wegen Hemingways Roman viele Touristen aus Nordamerika an. Dieses Jahr sind auch erstmals nach Corona wieder viele Touristen aus Asien angereist, wie ein Reiseveranstalter laut DPA dem Onlinemedium "OKdiario" berichtete. 2020 und 2021 waren die Feierlichkeiten wegen der Corona-Pandemie abgesagt worden, aber seit dem vergangenen Jahr ist alles wieder so wie vor der Pandemie.