1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Lange Vor-Geschichte

5. Januar 2010

Seit fast zehn Jahren diskutiert Deutschland über eine Dokumentationsstätte, die an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert erinnern soll. Noch immer sind nicht alle Steine aus dem Weg geräumt.

https://p.dw.com/p/LLIc
Das Deutschlandhaus am Anhalter Bahnhof in Berlin soll das Dokumentationszentrum zur Erinnerung an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert beherbergen. (Foto: DPA)
Das Zentrum soll bis 2013 im Deutschlandhaus in Berlin einziehenBild: Picture-Alliance / Tagesspiegel

Im September 2000 gründeten die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen Erika Steinbach von der CDU und der inzwischen verstorbene SPD-Politiker Peter Glotz die Stiftung "Zentrum gegen Vertreibungen". Sie wollten gemeinsam eine Gedenkstätte in Berlin schaffen.

Damit stießen sie in Polen und Tschechien auf Ablehnung. Die Länder befürchteten, dass solch eine Gedenkstätte die Geschichte des Zweiten Weltkriegs relativieren und aus Tätern Opfer machen könnte. Auch die damals amtierende rot-grüne Bundesregierung in Berlin war gegen das Projekt und setzte sich für eine Alternative ein. Zusammen mit Polen, Tschechien und der Slowakei gründete sie im Februar 2005 ein "Europäisches Netzwerk Erinnerung und Solidarität". Gemeinsam sollte an die Vertriebenengeschichte im 20. Jahrhundert erinnert und zugleich geforscht werden.

Ein Zeichen der Versöhnung

Im Gegensatz zur damaligen Regierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder sprach sich die Unionsparteien CDU und CSU von Anfang an für ein Vertriebenenzentrum in Berlin aus. Nach dem Beginn der Großen Koalition von CDU/CSU und SPD im Herbst 2005 einigte sich die schwarz-rote Bundesregierung auf einen Kompromiss. Man wollte im Geiste der Versöhnung in Berlin ein sichtbares Zeichen setzen und an das Unrecht von Vertreibungen erinnern.

Das Konzept für die Gedenkstätte arbeitete Kulturstaatsminister Bernd Neumann aus. Die rechtlichen Grundlagen dafür schuf die Große Koalition im Dezember 2008 mit der Gründung der Stiftung "Flucht, Vertreibung, Versöhnung". Die Stiftung ist unter dem Dach des Deutschen Historischen Museums in Berlin angesiedelt und soll laut Gesetz eine Dokumentationsstätte und eine Dauerausstellung zu Flucht und Vertreibungen im 20. Jahrhundert entwickeln.

Erika Steinbach sorgt für Diskussion

Erika Steinbach, Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (Foto: AP)
Erika Steinbach - parteipolitisch umstrittenBild: AP

Für die inhaltliche Ausrichtung ist der Stiftungsrat zuständig. Diesem Gremium gehören 13 Personen an, mehrere Institutionen können Personalvorschläge machen. Über die personelle Zusammensetzung des Stiftungsrates ist ein heftiger Streit entbrannt, seitdem die Bundesregierung die Mitglieder dieses Gremiums im April 2009 benannt hat. Bisher sind nämlich nur 12 der 13 Sitze besetzt. Einer von drei Sitzen, die dem Bund der Vertriebenen zustehen, ist noch vakant.

Die SPD war in der vergangenen Legislaturperiode dagegen, die Vertriebenenpräsidentin Erika Steinbach in den Stiftungsrat zu berufen, jetzt ist der liberale Außenminister Guido Westerwelle gegen eine Nominierung Steinbachs. Diese habe in der Vergangenheit das deutsch-polnische Verhältnis stark belastet, weil sie 1991 im deutschen Bundestag gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze zwischen Deutschland und Polen votiert und sich später gegen einen EU-Beitritt Polens ausgesprochen hatte.

Die Dokumentationsstätte zur Erinnerung und zum Gedenken an Flucht und Vertreibung im 20. Jahrhundert soll im Deutschlandhaus in Berlin entstehen. Das Gebäude wird derzeit saniert. Experten rechnen damit, dass die Ausstellung nicht vor 2013 eröffnet werden kann.

Autorin: Anja Fähnle

Redaktion: Kay-Alexander Scholz