Stichwort: Verfassungsschutz und Co.
3. Juli 2012Wer den Aufbau der Inlandsgeheimdienste in Deutschland verstehen will, muss einen Blick in die Vergangenheit werfen. In den Aufbaujahren nach dem Zweiten Weltkrieg haben die Gründerväter der Bundesrepublik ein Nachrichtenwesen aufgebaut, das sich grundlegend von seinen Vorgängern unterscheiden sollte. In der NS-Diktatur hatten die weit reichenden Befugnisse der Geheimen Staatspolizei (Gestapo), die über polizeiliche und nachrichtendienstliche Kompetenzen verfügte, die Organisation zu einem Staat im Staate werden lassen, dem die Bürger weitgehend schutzlos ausgeliefert waren.
Der 1950 gegründete Nachrichtendienst der Bundesrepublik mit der Bezeichnung "Verfassungsschutz" musste sich auf ein klares Mandat beschränken: die Nachrichtengewinnung. Die Mitarbeiter sammeln und bewerten "Auskünfte, Nachrichten und sonstige Unterlagen", die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland gerichtet sind. Gemeint sind damit Aktivitäten, die die Sicherheit Deutschlands oder eines Bundeslandes gefährden oder die "auswärtigen Belange" Deutschlands in Gefahr bringen. Es ist gängige Praxis, dass der Verfassungsschutz Personen oder Gruppen über eine längere Zeit beobachtet. Beispiele hierfür sind: die rechtextreme Partei NPD, die islamische Organisationen ICCB (Kaplanverband) oder Scientology.
Im Gegensatz zu Polizei und Staatsanwaltschaft kann der Verfassungsschutz auch ohne strafrechtlichen Verdacht tätig werden, ist dann aber für alle weitergehenden Schritte (Festnahme von Verdächtigen, Verhöre etc.) auf die Polizei angewiesen. Neben dem Aufgabenspektrum unterscheidet sich auch die Organisationsform des Geheimdienstes von seinen Vorgängern. Weil die innere Sicherheit zu den Aufgaben der Bundesländer gehört, gliedert sich auch der Inlandsgeheimdienst in 16 Landesbehörden für Verfasssungsschutz. Das Bundesamt für Verfassungsschutz koordiniert die Arbeit dieser Landesbehörden, ist ihnen aber nicht übergeordnet.
Woher bekommt der Verfassungsschutz die Informationen?
Den weitaus größten Teil seiner Informationen gewinnt der Verfassungsschutz aus offenen, allgemein zugänglichen Quellen - also aus Zeitungen, Flugblättern, Programmen und Aufrufen. Mitarbeiter des Verfassungsschutzes besuchen öffentliche Veranstaltungen und befragen auch Personen. Bei diesen Gesprächen treten die Mitarbeiter des Verfassungsschutzes offen auf. Sie sagen also, für wen sie arbeiten und in welchem Auftrag sie die jeweiligen Personen befragen. Diese Gespräche finden auf "freiwilliger Basis" statt, der Verfassungsschutz kann niemanden zwingen, Auskunft zu geben.
Die V-Leute
Der Verfassungsschutz arbeitet in extremistischen Kreisen mit sogenannten V-Leuten – V steht hierbei für "Verbindung" oder "Vertrauen". Diese Verbindungs-Leute sind externe Mitarbeiter, sie gehören nicht zur Verfassungsschutzbehörde. Eine V-Person ist also eine reine Privatperson und auch kein verdeckter Ermittler der Polizei. Der Verfassungsschutz nutzt diese Leute, um an Informationen zu kommen. V-Männer werden beispielsweise in rechtsextremen Gruppierungen "platziert", um so einen Einblick in die Szene-Aktivitäten zu erhalten. Die V-Leute geben also vor, zu einer rechtsextremistischen Gruppe zu gehören, melden aber alle Informationen weiter an den Verfassungsschutz. Sie dürfen dazu auch vertrauliche Briefe lesen oder Telefongespräche abhören, allerdings muss das von einem parlamentarischen Gremium extra genehmigt werden. Denn die gesetzliche Grundlage für den Einsatz von V-Leuten sind die Verfassungsschutzgesetze des Bundes und der Länder.
Die Motivation, als V-Mann zu arbeiten, kann vielfältig sein. Einige entscheiden sich dazu, verdeckt für den Verfassungsschutz zu arbeiten, damit kein Verfahren zu ihrer kriminellen Vergangenheit eingeleitet wird. Persönliche Interessen, wie Rache oder Konkurrenzneid, können auch eine Rolle spielen, ebenso wie das finanzielle Interesse. Denn für ihre Auskunftsbereitschaft erhalten die Verbindungspersonen in der Regel ein "Honorar", über dessen Höhe die Behörden schweigen.
Das Bundeskriminalamt (BKA)
Das Bundeskriminalamt ist die Kriminalpolizei des Bundes. Es untersteht dem Innenministerium, der Hauptsitz ist in Wiesbaden. Das BKA koordiniert in Deutschland die nationale Verbrechensbekämpfung, dabei arbeiten die BKA-Mitarbeiter mit den Landeskriminalämtern zusammen. Das BKA agiert aber auch weltweit: Als zentrale Kriminalpolizei Deutschlands koordiniert es die Kriminalitätsbekämpfung auf internationaler Ebene. Die über 5.000 BKA-Mitarbeiter sind also der deutsche Partner aller Polizeibehörden weltweit. Das BKA ermittelt zum Beispiel bei illegalem Waffen- oder Drogenhandel, Falschgeld, internationalem Terrorismus, Wirtschaftsverbrechen oder schweren Fällen von Computersabotage. Wie der Verfassungsschutz kann auch das BKA verdeckte Ermittler einsetzen, um heimlich an Informationen zu kommen.
Die Polizei
Der Auftrag der deutschen Polizei ist es, die innere Sicherheit aufrecht zu erhalten. Das heißt, die Polizei versucht Kriminalität vorzubeugen und abzuwehren. In Deutschland unterscheidet man zwischen der Bundespolizei und den Polizeibehörden der 16 Länder. Nach dem Grundgesetz ist die Polizei grundsätzlich Ländersache (Artikel 30 Grundgesetz). Deshalb sind ihre Aufgaben und Befugnisse in erster Linie in den Polizeigesetzen der Länder geregelt – diese sind in den 16 Bundesländern ähnlich, aber nicht ganz identisch. In allen Ländern untersteht die Polizei aber dem jeweiligen Innenministerium des Bundeslandes.
Die Bundespolizei kommt lediglich für einen klar umrissenen Aufgabenbereich zum Einsatz. Dazu zählen neben der Grenzsicherung auch die Bahn- und Luftraumüberwachung sowie der Schutz von Verfassungsorganen und Ministerien.