Stichwort: Der EU-Vertrag
19. Oktober 2007Neuer Chef: Ein auf zweieinhalb Jahre gewählter Präsident soll der EU Gesicht und Stimme geben und für mehr Kontinuität in der Politik der Gemeinschaft sorgen. Bislang wechseln sich die 27 EU-Staats- und Regierungschefs alle sechs Monate auf dem Chefsessel ab.
Stärkung der gemeinsamen Außenpolitik: Die Kompetenzen des EU-Außenbeauftragten (derzeit der Spanier Javier Solana) werden aufgewertet. Er erhält einen so genannten «Doppelhut»: Zusätzlich zu seinen bisherigen Aufgaben soll er auch die des EU-Außenkommissars (derzeit eine Kommissarin, die Österreicherin Benita Ferrero-Waldner) übernehmen und Vizepräsident der Kommission werden. Als offizieller Titel wurde «Hoher Vertreter der Union für Außen- und Sicherheitspolitik» festgelegt.
Verkleinerung der EU-Kommission: 2014 wird die EU-Kommission schlanker. Während gegenwärtig alle 27 EU-Länder ihren eigenen Kommissar haben, werden dann nur noch zwei Drittel der Mitgliedstaaten in der Brüsseler Behörde vertreten sein. Ein Rotationsprinzip soll sicherstellen, dass alle Staaten die gleiche Chance haben, einen Kommissar nach Brüssel zu entsenden.
Weniger EU-Abgeordnete: Auch das Europaparlament soll kleiner werden: Statt 785 wird es ab 2009 nur noch 750 Sitze zählen. Hinzu kommt der Parlamentspräsident, der aber künftig nicht mehr als normaler Abgeordneter zählen soll.
Abschaffung von Veto-Möglichkeiten: Derzeit sind Beschlüsse in vielen Politikbereichen nur möglich, wenn die EU-Staaten Einstimmigkeit erzielen. Künftig sollen Mehrheitsentscheidungen die Regel sein, damit nicht länger ein einzelner Mitgliedstaat alle übrigen 26 blockieren kann. Bei Steuerfragen, in der Außenpolitik und einigen anderen Bereichen bleibt es aber beim Einstimmigkeitsprinzip.
Stimmverteilung im Ministerrat: Das Abstimmungsprinzip der doppelten Mehrheit wird erst zum 1. November 2014 eingeführt. Für einen Beschluss ist dann die Zustimmung von 55 Prozent der Mitgliedstaaten nötig, die gleichzeitig mindestens 65 Prozent der Gesamtbevölkerung vertreten. Damit wird der Bevölkerungsstärke der einzelnen Mitgliedstaaten stärker Rechnung getragen als bislang. Während einer Übergangsphase bis zum 31. März 2017 kann jeder einzelne EU-Staat aber bei einer unliebsamen Entscheidung verlangen, die Abstimmung nach dem bisher gültigen System des Vertrages von Nizza zu wiederholen. Auch noch nach 2017 können die Verlierer einer Abstimmung unter bestimmten Bedingungen eine Verlängerung der Verhandlungen einfordern.
Grundrechtscharta: Die bereits Ende 2000 unterzeichnete EU-Charta der Grundrechte soll mit dem neuen Vertrag rechtsverbindlich werden. Für Polen und Großbritannien gibt es aber Ausnahmen.
Subsidiaritätsprinzip: Spricht sich eine Mehrheit der nationalen Parlamente in der EU gegen einen Richtlinien-Entwurf der EU-Kommission aus, so muss diese ihren Vorschlag überprüfen. Will sie ihn unverändert beibehalten, muss sie eine begründete Stellungnahme abgeben. Diese Stellungnahme und die Gegenargumente der nationalen Parlamente müssen dann bei der Beratung des Richtlinien-Entwurfs im EU-Ministerrat und im Europaparlament berücksichtigt werden.
Bürgerbegehren: Wenn eine Million EU-Bürger per Unterschriftenliste zu einem bestimmten Problem ein Gesetz verlangen, muss die Kommission tätig werden. (tos)