Anti-Terror-Paragraf
4. November 2014Im Sommer 2013 reist ein junger Mann aus Frankfurt über die Türkei nach Syrien. Dort schließt er sich der Terrororganisation "Islamischer Staat" an, besorgt sich eine Waffe und absolviert eine Waffenausbildung. Dann legt der 20-jährige einen Treueeid ab, leistet Wachdienste und nimmt an mehrtägigen Kamfeinsätzen teil. Nach ein paar Monaten will er aber doch zurück nach Hause. Es läuft nicht so toll im "Heilligen Krieg", gesteht er in einem Telefonat mit seiner Schwester. Im Dezember 2013 wird er am Frankfurter Flughafen festgenommen.
Prozesswelle gegen Gotteskrieger rollt
Dies ist die Geschichte von Kreshnik B. Aufgewachsen in Bad Homburg, zuletzt wohnhaft in Frankfurt am Main. Seine Familie stammt aus dem Kosovo. Die Bundesanwaltschaft wirft dem jungen Mann die Mitgliedschaft in der Terrormiliz IS vor. Seit Mitte September steht er vor Gericht. Ihm drohen mehr als vier Jahre Haft.
Es ist der erste Prozess in Deutschland gegen einen Rückkehrer aus den Kampfgebieten in Syrien und im Irak. Doch es werden immer mehr: in den letzten Wochen sind wegen der Unterstützung einer ausländischen terroristischen Vereinigung mehrere ähnliche Strafverfahren eröffnet worden.
Nach Einschätzung des deutschen Bundesnachrichtendienstes (BND) ist die Terrormiliz "Islamischer Staat" die weltweit gefährlichste Terrororganisation. Der IS sei die derzeit vermögendste, bestorganisierte und bestbewaffnete terroristische Organisation, warnte vor kurzem BND-Präsident Gerhard Schindler in Berlin. Der IS mache grundsätzlich keine Gefangenen, sondern ermorde seine Gegner.
Anti-Terror-Paragraf
In Deutschland ist seit 1976 die Bildung, Mitgliedschaft aber auch Unterstützung und Werbung für eine "terroristische Vereinigung" nach Paragraf 129a Strafgesetzbuch (StGB) unter Strafe gestellt. Seit 2002 gilt Paragraf 129 mit dem Buchstaben "b" auch für ausländische terroristische Vereinigungen. Unterstützern drohen bis zu zehn Jahren Haft. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Vereinigung bereits für Straftaten verantwortlich ist. Es reicht aus, wenn ihre Ziele "darauf gerichtet sind, Straftaten zu begehen". Allgemeine Äußerungen, wie etwa die IS und den Dschihad "gut" zu finden, sind noch von der Meinungsfreiheit gedeckt.
Der Anti-Terrorismus-Paragraf 129a war 1976 zur Bekämpfung des Linksterrorismus der Roten Armee Fraktion (RAF) in Deutschland ins Strafgesetzbuch aufgenommen worden. Dieser Paragraf stellt die Gründung, Mitgliedschaft und Unterstützung von terroristischen Vereinigungen sowie das Werben für solche Gruppen unter Strafe. Doch er galt zunächst nur für inländische Terror-Organisationen.
Gerichte abhängig von Geheimdiensten?
Nach den Anschlägen des 11. Septembers 2001 in den USA sind auch in Deutschland die Sicherheitsgesetze verschärft worden. 2002 trat unter anderem auch der Paragraf 129b in Kraft. Das Ziel: die Verfolgung von Mitgliedern und Unterstützern ausländischer Terror-Organisationen zu erleichtern.
Beide Paragrafen sind nicht unumstritten. Vor allem die Grünen und die Linken kämpfen seit Jahren gegen sie und fordern: "Diese Terror-Paragrafen gehören abgeschafft!" Das Hauptproblem der 129b-Prozesse sehen sie in der "großen Abhängigkeit von Geheimdienst-Informationen, die nur schwer kontrollierbar sind." Außerdem erschwerten die Strafprozesse die Ladung von Zeugen aus dem Ausland.