Stevens verleiht Schalke neuen Schwung
16. März 2019Am Ende stand Huub Stevens fassungslos am Spielfeldrand. Er starrte in die Ferne, schien die Welt nicht mehr zu verstehen. Womöglich wurde dem Interimscoach des FC Schalke 04 in diesem Moment erst so richtig bewusst, welche schwere Aufgabe er sich zugemutet hat. Das 0:1 gegen RB Leipzig war ein misslungener Auftakt einer zwei Tage zuvor begonnenen Rettungsaktion, von der noch niemand weiß, ob sie in der Totalkastrophe, dem Abstieg, oder doch noch gerade so im Klassenerhalt enden wird.
Durch den Treffer von Timo Werner war die sechste Schalker Pflichtspielniederlage und die vierte Heimspielniederlage in Folge - zu allem Überfluss auch noch ohne eigenen Treffer - perfekt. Ein neuer Negativrekord des Ruhrgebietsklubs. Die insgesamt 15. Saisonniederlage bedeutete das Abrutschen auf Tabellenplatz 15. Bis zum Relegationsplatz, den der VfB Stuttgart derzeit noch einnimmt, sind es lediglich noch drei Punkte. Die Angst geht um bei den Königsblauen.
Ein wenig mehr Hoffnung
Doch bei aller Verzweiflung durften die Anhänger und die Verantwortlichen des Klubs zumindest ein wenig Hoffnung schöpfen. "Wir haben versucht, die Köpfe freizubekommen. Bei der Leistung hat vieles gestimmt. Nur das Quäntchen Glück hat uns gefehlt, einen Treffer zu erzielen", sagte Stevens. Tatsächlich trat die Mannschaft engagierter, leidenschaftlicher und überzeugter auf, als noch in den vergangenen Wochen. Die spielerischen Defizite des Teams waren zwar erneut nicht zu übersehen. Allerdings versuchten die Spieler diese mit erhöhtem Einsatz wett zu machen.
"Wenn man in den vergangenen Spielen so viele Gegentreffer kassiert hat, muss man erstmal zusehen, dass die Organisation über das gesamte Spiel stimmt und die Mannschaft nicht wieder aufgibt", sagte Stevens. Ohnehin war es stets Stevens' Motto, möglichst wenig Gegentore zu kassieren. Die Attraktivität der Spielweise des eigenen Teams hatte ihn noch nie sonderlich interessiert. Das zumindest funktionierte. Nach zuletzt 21 Gegentoren in fünf Partien war die Partie gegen die Sachsen deshalb schon ein großer Fortschritt.
Stevens gab sich dann auch große Mühe, seine Spieler stark zu reden. Aus seiner Sicht der beste Weg, um weiteren Zugang zu den Profis zu bekommen und konkreten Einfluss auf seine Mannschaft zu nehmen.
Stevens: "Ich bin enttäuscht"
"Durch den Trainerwechsel war klar, dass die Schalker eine bessere Leistung zeigen würden", sagte RB-Trainer Ralf Rangnick. Dieser von Rangnick im Vorfeld befürchtete Effekt stellte sich tatsächlich auch ein. Womöglich, weil die S04-Spieler nun unmissverständlich von Stevens vermittelt bekommen haben, dass sie sich ganz tief im Abstiegskampf befinden. Aber wohl auch, weil jeder der Profis bei einem neuen Coach die Befürchtung haben kann, seinen Stammplatz zu verlieren. Eine seriösere Bewertung dürfte allerdings erst nach dem nächsten Bundesligaspiel, dem Abstiegsgipfel bei Hannover 96, abgegeben werden können.
"Ich tue alles, um das hinzukriegen. Wir müssen jedem Spieler das Vertrauen geben", sagte Stevens, der erstmals seit 1135 Tagen wieder im Schalke-Trainingsanzug an der Seitenlinie stand, sich zwischenzeitlich einer Herz-Operation unterzogen hatte und sein Job als Fußballlehrer eigentlich schon an den Rentennagel gehangen hatte. Für den Niederländer war die Partie dennoch "eine Enttäuschung, weil wir verloren haben".
Viele und intensive Trainingseinheiten
Ausgerechnet Gästetrainer Rangnick war es dann, der einen Einblick in die Stevens'sche Blitzarbeit zuließ. "Ich kenne den Huub gut. Da gab es in der Halbzeit nochmal eine klare Ansage an die Mannschaft. Das wussten wir", sagte der RB-Coach. Gradlinigkeit und deutliche Worte sind seit jeher das Credo des Schalke-Interimstrainers. Den ersten positiven Effekt hat er damit schon einmal erreicht.
Stevens und sein Co-Trainer Mike Büskens können die rund zweiwöchige Länderspielpause nun nutzen um das Team weiterhin zu stabilisieren. Aber vor allem, um sich Lösungswege einfallen zu lassen, wie das Team zu eigenen Treffern kommt. Denn trotz einiger guter Tormöglichkeiten versagten allen Schalker Schützen die Nerven. Bis auf drei Profis hat Stevens alle Spieler zur Verfügung. Zwei Trainingseinheiten täglich dürften auf die Spieler zukommen.
Es gibt viel zu tun am Berger Feld. "Man muss sehen, wo diese Mannschaft herkommt", sagte Stevens noch im Vorbeigehen und verschwand aus der Schalker Arena. Die Spieler werden ihren Coach in den nächsten Tagen aber wohl öfter zu sehen bekommen, als es ihnen lieb sein dürfte.