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Politik

Steinmeier: Zuwanderer machten Land offener

10. September 2021

Lange galten sie nur als "Gastarbeiter" - die Zuwanderer, die Nachkriegsdeutschland beim Wiederaufbau halfen. Der Bundespräsident nahm nun das Anwerbeabkommen mit der Türkei zum Anlass, um ihre Leistungen zu würdigen

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Treffen von Bundespräsident Steinmeier mit Bürgern mit türkischen Wurzeln im Schloss Bellevue
Treffen von Bundespräsident Steinmeier mit Bürgern mit türkischen Wurzeln im Schloss BellevueBild: Christoph Soeder/dpa/picture alliance

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat die Aufbauleistung von Türken und Menschen aus vielen anderen Staaten in Deutschland gewürdigt und sich bei ihnen dafür bedankt. Zugleich prangerte er in Berlin die noch immer bestehende Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund an. Er rief sie dazu auf, die Gesellschaft in Deutschland mitzugestalten. "Nehmen Sie sich den Platz, der Ihnen zusteht, den Platz in der Mitte, und füllen Sie ihn aus", sagte Steinmeier bei einer Gesprächsrunde im Schloss Bellevue zum 60. Jahrestag des Anwerbeabkommens zwischen Deutschland und der Türkei.

Der türkische Tabakzüchter Mehmet Ali (M.) aus einem Dorf nahe Izmir bricht im Februar 1966 nach Deutschland auf
Der türkische Tabakzüchter Mehmet Ali (M.) aus einem Dorf nahe Izmir bricht im Februar 1966 nach Deutschland aufBild: picture-alliance/Beynelmilel

Der Bundespräsident betonte, Deutschland verdanke den sogenannten Gastarbeitern, ihren Kindern und Enkeln viel. "Nicht nur das deutsche Wirtschaftswunder, nein, die Entwicklung dieser deutschen Gesellschaft war und ist maßgeblich getragen von Italienern, von Griechen, von Spaniern und Türken", sagte der Bundespräsident.

Auch Menschen aus DDR-"Bruderstaaten" gewürdigt

Er würdigte ausdrücklich auch die "Lebensleistung der Menschen aus den sogenannten Bruderstaaten der DDR" wie Kuba, Vietnam und Mosambik. "Sie alle haben viel dazu beigetragen, dass Deutschland heute gesellschaftlich offener und vielfältiger, wirtschaftlich stärker und wohlhabender ist."

Behutsamer Protest in eigener Sache: Schweigemarsch spanischer "Gastarbeiter" im Mai 1962 in Hannover
Behutsamer Protest in eigener Sache: Schweigemarsch spanischer "Gastarbeiter" im Mai 1962 in HannoverBild: picture-alliance/dpa

Zugleich wies Steinmeier auf die unwürdige Behandlung der damals nach Deutschland geholten Menschen hin, etwa "erniedrigende Leibesvisitationen bei Einstellungsuntersuchungen". Und: "Es gab keine Sprachkurse, keine Unterstützung, keine Integrationspolitik, und zwar aus dem einfachen Grund, dass Integration schlicht nicht gewünscht war."

Noch immer trennen Welten bei Bildung und Aufstieg

Steinmeier kritisierte, dass sich die Chancen auf Bildung und sozialen Aufstieg für Kinder mit und ohne Migrationshintergrund noch immer um Welten unterschieden. Bis heute gebe es zudem Ausgrenzung und Vorurteile im Alltag. Das zeige sich, wenn bei der Jobbewerbung aussortiert und die Wohnungssuche zum Spießrutenlauf werde. "Ist das nicht eine ähnliche Geisteshaltung, die da zum Vorschein kommt, ein ähnliches Menschenbild wie vor 60 Jahren, als man keinen Anstoß daran nahm, Menschen wie Arbeitsmaschinen zu behandeln?"

Vietnamesische Auszubildende und Studenten bei einer Demonstration zum 1. Mai 1971 in Dresden
Vietnamesische Auszubildende und Studenten bei einer Demonstration zum 1. Mai 1971 in DresdenBild: imago

Der Bundespräsident monierte zudem, dass das Bild des Islams hierzulande von Stereotypen und Vorurteilen geprägt sei. Er plädierte für die Ausbildung von Imamen in Deutschland und islamischen Religionsunterricht an den Schulen. "Musliminnen, Muslime sollen ihren Glauben in all seiner Vielfalt im Herzen unserer Gesellschaft leben können - mit und nicht gegen unsere Demokratie", betonte Steinmeier.

sti/fab (afp dpa)