Steinmeier soll Bundespräsident werden
14. November 2016Die Spitzen von CDU und CSU haben nach internen Beratungen grünes Licht für die Kandidatur von Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) bei der Bundespräsidentenwahl gegeben. Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel bezeichnete die Nominierung Steinmeiers als "Entscheidung der Vernunft". "Gerade in unsicheren Zeiten" sei die Unterstützung Steinmeiers als höchster Mann im Staat ein "Zeichen für Stabilität", sagte sie nach Angaben von Teilnehmern in einer Telefonschalte der Parteispitze. Steinmeier sei zudem ein "Mann der Mitte". In der rund 20-minütigen Telefonkonferenz wurde die Personalie den Angaben zufolge von der CDU-Führung breit unterstützt.
Entscheidung bei Treffen von Seehofer mit Steinmeier?
Die Zustimmung der CSU für Steinmeier hatte Parteichef Horst Seehofer zuvor schon in München bekanntgegeben. Der beliebte Sozialdemokrat kann damit bei der Wahl des Nachfolgers von Bundespräsident Joachim Gauck am 12. Februar in der Bundesversammlung mit einem Erfolg im ersten Wahlgang rechnen - Union und SPD gemeinsam haben dort eine Mehrheit.
Die Deutsche Presseagentur (dpa) will erfahren haben, dass sich Seehofer und Steinmeier auf dessen Kandidatur bei einem vertraulichen Treffen am Samstag in München geeinigt hätten. Am vergangenen Mittwoch sei der SPD-Politiker abends bei Seehofer zu Gast in der bayerischen Landeshauptstadt gewesen. Erst nach dem Gespräch habe sich Seehofer dann zur Unterstützung Steinmeiers entschieden. Dpa beruft sich dabei auf Informationen aus CSU-Kreisen.
Der Entscheidung waren vergebliche Anläufe der Vorsitzenden der drei Koalitionsparteien vorangegangen, einen gemeinsamen Kandidaten zu finden. Die Parteichefs von CDU, CSU und SPD, Angela Merkel, Horst Seehofer und Sigmar Gabriel hatten zuletzt am Sonntag über einen gemeinsamen Nachfolger für Joachim Gauck beraten.
CSU-Generalsekretär: "Ein guter Kandidat"
Der Außenminister war bereits vor Wochen von SPD-Chef Sigmar Gabriel für das höchste Amt im Staat vorgeschlagen worden. Doch vor allem die CSU hatte Merkel lange zu einem Unionskandidaten gedrängt, weil CDU und CSU in der Bundesversammlung die größte Gruppe stellen. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer kritisierte bei "Bild.de" zwar erneut das Vorpreschen Gabriels in der Kandidatenfrage - Gabriel hatte Steinmeier schon vor Wochen als hervorragenden Bewerber bezeichnet. Zugleich sagte Scheuer aber über Steinmeier, dieser sei "ein guter Kandidat in diesen außenpolitisch so herausfordernden Zeiten". Scheuer ergänzte: "Am Wochenende hat man ja gesehen, dass alle grünen Flirts beendet sind."
Zuvor war darüber spekuliert worden, dass die Union Baden-Württembergs grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann benennen könnte. Scheuer sagte, nun gehe es "dem Endspurt entgegen mit wichtigen Gesprächen heute". Der CDU-Politiker Norbert Röttgen hatte Gabriel in der ARD eine Mitschuld an der wochenlangen Hängepartie um die Gauck-Nachfolge gegeben. Der SPD-Chef habe "den Prozess der Findung eines Kandidaten nicht vereinfacht". Gabriel sei vorgeprescht und habe mit Außenminister Steinmeier ein SPD-Mitglied vorgeschlagen. Die Präferenz der Union sei es gewesen, "dass die Koalition einen gemeinsamen Kandidaten vorschlägt".
Dessen ungeachtet reagierten die Sozialdemokraten mit Genugtuung auf die Entscheidung der Unionsparteien. Bei der SPD steht damit eine weitere Spitzenpersonalie an: Für das frei werdende Außenministerium gilt der EU-Parlamentspräsident Martin Schulz als klarer Favorit.
Grüne noch im Beratungsprozess
Die Spitzengremien der Grünen beraten noch darüber, Steinmeier zum neuen Bundespräsidenten zu wählen. Der SPD-Politiker sei eine respektable Persönlichkeit, erklärte Grünen-Chefin Simone Peter, nachdem die CDU grünes Licht für Steinmeier signalisiert hatte. Er sei aber nicht der von den Grünen gewünschte parteiübergreifende Kandidat. Sie sei jedoch froh, dass die große Koalition endlich eine Entscheidung getroffen habe, so Peter weiter.
Linkspartei will eigenen Kandidaten aufstellen
Die Linkspartei hatte bereits früher eine Kandidatur Steinmeiers für die Nachfolge Gaucks abgelehnt und will einen eigenen Kandidaten aufstellen. Damit solle verdeutlicht werden, "dass es eine Alternative zu Sozialabbau und Kriegseinsätzen gibt", sagte die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Sahra Wagenknecht, jetzt in Berlin. SPD-Chef Sigmar Gabriel könne zwar einen taktischen Sieg gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel verbuchen, da er sich mit seinem Vorschlag durchgesetzt habe. "Aber ein Gewinn für eine sozialere Politik ist das nicht." Steinmeier gilt den Linken als einer der Architekten der mit sozialen Einschnitten verbundenen Agenda 2010.
Bundespräsident Gauck war im Februar 2012 zum Staatsoberhaupt gewählt worden. Der 76-Jährige will aus Altersgründen nicht wieder kandidieren. Gauck war gemeinsamer Kandidat von Union, FDP, SPD und Grünen und hatte im ersten Wahlgang eine überragende Mehrheit erhalten.
sti/uh (afp, dpa, rtr)