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PolitikFrankreich

Steinmeier ruft zum Schutz des vereinten Europas auf

10. Juni 2024

Die Präsidenten Deutschlands und Frankreichs haben in Oradour-sur-Glane der Opfer eines der größten Kriegsverbrechen Nazi-Deutschlands gedacht. Dabei warnte Frank-Walter Steinmeier vor allem vor Nationalismus und Hass.

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Präsident Emmanuel Macron (vorne links) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim 80. Jahrestag des Massakers von Oradour-sur-Glane
Präsident Emmanuel Macron (vorne links) und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier beim 80. Jahrestag des Massakers von Oradour-sur-GlaneBild: Ludovic Marin/AP/picture alliance

Nach den Erfolgen rechter Parteien bei der Europawahl hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei der Gedenkfeier für die Opfer des SS-Massakers in Oradour-sur-Glane im Westen Frankreichs zur Verteidigung eines weltoffenen und friedlichen Europas aufgerufen. Er mahnte nie zu vergessen, was Nationalismus und Hass in Europa angerichtet hätten.

Anlässlich des 80. Jahrestages gedachte der Bundespräsident in dem weitgehend zerstörten Dorf zusammen mit Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron der Opfer des Nazi-Massakers.

Es ist das erste Mal, dass ein Bundespräsident zu einem Jahrestag des Massakers in Frankreich anreist. Im Jahr 2013 hatte der damalige Bundespräsident Joachim Gauck bei einem Staatsbesuch als erster deutscher Spitzenpolitiker Oradour-sur-Glane besucht.

SS-Massaker jährt sich zum 80. Mal

Oradour-sur-Glane: Zerstörte Häuser nach dem Massaker von 1944
Oradour-sur-Glane: Zerstörte Häuser nach dem Massaker von 1944Bild: Keystone/Getty Images

Am 10. Juni 1944 hatten Angehörige der SS-Division "Das Reich" das Dorf Oradour-sur-Glane ausgelöscht. Sie ermordeten 643 Männer, Frauen und Kinder und brannten den Ort nieder. Es gab nur wenige Überlebende. Das Massaker von Oradour-sur-Glane gilt als das größte Kriegsverbrechen Nazi-Deutschlands auf dem westlichen Kriegsschauplatz. Ein einziger der rund 150 beteiligten SS-Soldaten wurde 1983 in der DDR zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt, aber vorzeitig aus der Haft entlassen. 

Steinmeier entschuldigt Fehlen der juristischen Aufarbeitung

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) und Emmanuel Macron (3. v. l.) werden durch die Ruinen von Oradour-sur-Glane geführt
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (Mitte) und Emmanuel Macron (3. v. l.) werden durch die Ruinen von Oradour-sur-Glane geführtBild: Bernd von Jutrczenka/dpa/picture alliance

Seite and Seite liefen die beiden Staatsoberhäupter auf der geteerten Dorfstraße in Oradour-sur-Glane an den zerstörten Häusern vorbei. Die Ruinen des Dorfes sind als Mahnmal erhalten. In seiner anschließenden Rede brachte das deutsche Staatsoberhaupt seine Erschütterung und Trauer über die "so grausamen und unmenschlichen Verbrechen, die Deutsche hier (...) begangen haben" zum Ausdruck. 

Steinmeier entschuldigte sich auch für die unzureichende juristische Aufarbeitung des SS-Massakers in Deutschland. Er sei beschämt darüber, dass die Täter straflos geblieben und schwerste Verbrechen nicht gesühnt worden seien: "Hier hat mein Land noch einmal eine zweite Schuld auf sich geladen." Steinmeier hielt die gesamte Rede auf französisch.

Freundschaftspakt zwischen Oradour und Hersbruck

In seiner Rede betonte Steinmeier außerdem, dass für Deutsche und Franzosen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft mit der deutsch-französischen Freundschaft Wirklichkeit geworden sei. Nun sei der Auftrag die weitere Entwicklung der Europäischen Union.

Auch Macron hob die deutsch-französische Versöhnung als Grundlage des gemeinsamen Europas hervor. In der Versöhnung stecke die Freundschaft von Deutschland und Frankreich sowie die des gesamten Europas. Von einem Ort der Schande sei Oradour im Laufe vieler Jahrzehnte zu einem Ort der Hoffnung und schließlich zu einem Ort der Versöhnung geworden. "Unsere zwei Völker blicken Hand in Hand und Seite an Seite auf Oradour."

Als Zeichen der Verbundenheit schloss der französische Ort am Gedenktag einen Freundschaftspakt mit der fränkischen Kleinstadt Hersbruck. Dort gab es im Zweiten Weltkrieg eine Außenstelle des NS-Konzentrationslagers Flossenbürg. Steinmeier begrüßte die freundschaftliche Verbindung zwischen den beiden Orten. Es seien mutige Menschen, die ein besonderes Versöhnungswerk begonnen hätten.

Noch vor der Ankunft Steinmeiers hatte Macron am Vormittag auch der Opfer des Massakers im nahegelegenen Tulle gedacht. Dort hatten SS-Soldaten am 9. Juni 1944 99 Zivilisten an Laternenpfählen und Balkonen aufgehängt.

ch/kle (afp, dpa)