Zentralasien-Strategie
4. November 2006Zum Abschluss seiner knapp einwöchigen Reise durch die fünf ehemaligen Sowjetrepubliken in Mittelasien sagte Steinmeier am Samstag (4.11.) in der kirgisischen Hauptstadt Bischkek, diese Initiative sei notwendig, auch angesichts der Krisen innerhalb und außerhalb der Region. Diese Krisen berührten auch Europa. Er erwähnte insbesondere Afghanistan und den Iran.
Steinmeier würdigte die Fortschritte, die einige der fünf Ex-Sowjetstaaten Kasachstan, Usbekistan, Turkmenien, Tadschikistan und Kirgisien auf dem Weg zu Rechtstaatlichkeit und Demokratie vorweisen könnten. "Wir werden diesen Weg nicht nur bilateral unterstützen, sondern wir werden auch mit einer Initiative in der EU einen neuen Blick auf Zentralasien und Kirgisien richten", sagte Steinmeier.
Größte Besorgnis: Iran
Die Region sei "einfach zu wichtig, als dass wir sie an den Rand unseres Wahrnehmungsspektrums verdrängen" sollten, sagte Steinmeier, der als erster EU-Außenminister alle fünf zentralasiatischen Staaten bereist hatte. Er verwies darauf, dass andere Staaten wie Russland, China, Japan und auch die USA in der Region sehr präsent seien. Daher "gibt es jede Rechtfertigung, dass wir uns hier auch zeigen mit unseren Stärken". Diese lägen nicht nur in der wirtschaftlichen Kooperation, sondern in den Instrumenten, die beim Aufbau von Rechtsstaatlichkeit und Demokratie helfen könnten.
Im Fall Afghanistan gebe es Auswirkungen von Instabilität und Drogenkriminalität. "Ich nenne aber auch den Iran, der in der Region größte Besorgnisse auslöst." Das gelte nicht nur wegen eines nuklearen Wettrüstens, das durch das Atomprogramm Teherans ausgelöst werden könnte. Es gelte auch wegen wirtschaftlicher Abhängigkeiten der zentralasiatischen Staaten vom Iran.
Kirgisischer Präsident unter Druck
In Bischkek traf Steinmeier am Samstag mit Präsident Kurmanbek Bakijew und mit Ministerpräsident Felix Kulow zusammen. Demonstranten in einer Zeltstadt auf dem Hauptplatz fordern den Rücktritt beider Politiker. Sie werfen ihnen Korruption und Nichteinhaltung von Reformversprechen vor. Am Donnerstag (2.11.) waren rund 30.000 Menschen für ihre Forderung auf die Straße gegangen.
Die Proteste wecken Erinnerungen an die so genannte Tulpenrevolution vor eineinhalb Jahren, als Bakijews Vorgänger Askar Akajew nach Straßenprotesten aufgab. Die Regierung wirft den Demonstranten Putschpläne vor, die sie mit angeblich aus Lauschangriffen gewonnen Tonaufnahmen zu belegen versuchte.
Kirgisien an der Grenze zu China ist die ärmste der fünf Länder, die Steinmeier besuchte. Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks UNICEF leben in Kirgisien bis zu 80 Prozent der unter 15-Jährigen in Haushalten, die mit weniger als 1,70 Euro pro Tag auskommen müssen. Das Land verfügt lediglich über Goldvorkommen, die meist von chinesischen Firmen ausgebeutet werden.
Dorgenhandel und Energieressourcen
Vor Kirgisien hatte Steinmeier Tadschikistan besucht. Das Land bat um verstärkte westliche Hilfe beim Schutz der Landesgrenze vor dem Drogenhandel aus Afghanistan. Die 1.400 Kilometer lange Grenze zu Afghanistan gilt als Einfallstor für Rohopium und Heroin, das auch für Europa bestimmt ist.
Gemeinsamer Nenner der Reise Steinmeiers ist die Sondierung einer möglichen neuen EU-Strategie auch unter dem Blickwinkel der Diversifizierung von Energieressourcen. Von den fünf Ländern weisen nur Kasachstan, Usbekistan und Turkmenien erhebliche Öl- und Gasvorkommen auf. Die Region ist wirtschaftlich an China und politisch eng an Russland gebunden. Auch die USA unterstreichen mit einem Militärstützpunkt in Kirgisien ihr Interesse an der Region. Die EU-Initiative solle während der deutschen Ratspräsidentschaft auf den Weg gebracht werden. (je)