Steinbrück stimmt SPD auf Lagerwahlkampf ein
29. September 2012Für seine "Ecken und Kanten" ist das Nordlicht Peer Steinbrück bekannt, mit steifen Brisen kennt er sich aus und da will er von Anfang an auch keine Zweifel aufkommen lassen: "Das Programm muss zum Kandidaten passen und der Kandidat zum Programm. Ihr müsst mir aber auch etwas Beinfreiheit einräumen", ruft er den Delegierten des Landesparteitags der nordrhein-westfälischen Sozialdemokraten in Münster in seiner typischen Rhetorik zu.
Er drängt auf eine klare Kontur von Kandidat und Partei und große Eigenständigkeit des Kandidaten im Wahlkampf. Steinbrück weiß aus Erfahrung, dass lange Querelen etwa mit Kritikern vom linken Parteiflügel, nur an seiner Autorität und Glaubwürdigkeit kratzen würden.
Nie mehr Minister unter Merkel
Steinbrück umreißt in Münster zentrale Eckpunkte seiner Programmatik: Im Falle einer Niederlage bei der Bundestagswahl 2013 werde er nicht in eine große Koalition eintreten. Für ein Kabinett unter Führung von Angela Merkel sei er nicht zu gewinnen, sagte Steinbrück. Sein klares Ziel sei, die schwarz-gelbe Regierungskoalition in Berlin durch Rot-Grün komplett abzulösen. Die jetzige Bundesregierung werde in einem Jahr keine Mehrheit mehr haben. Die schwarz-gelbe Koalition könne nicht regieren, sie regiere an der Gesellschaft vorbei.
"Wir setzen eindeutig auf Sieg und nicht auf Platz", unterstrich Steinbrück in einer von Selbstbewusstsein geprägten Rede. Voraussetzung für einen Wahlsieg sei allerdings, dass die SPD ihre Anhänger mobilisiere. Sie müsse nicht nur 500.000 Parteimitglieder erreichen, sondern 62 Millionen Wahlberechtigte.
Steinbrück versicherte vor rund 1000 Delegierten und Parteitagsgästen, die bisherige SPD-Troika mit Parteichef Sigmar Gabriel und dem Bundestags-Fraktionsvorsitzenden Frank-Walter Steinmeier werde sich nicht auseinanderdividieren lassen. Mit Blick auf die Steuerpolitik erklärte der ehemalige Bundesfinanzminister: "Wir wollen nicht alle Steuern erhöhen, aber manche Steuern für einige."
Kämpferische Kraft-Töne
Die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sieht ein Jahr vor der Bundestagswahl das Ende der Regierungszeit von Bundeskanzlerin Merkel nahen. "Die kommt einfach nicht zu Potte und deswegen ist ihre Zeit auch abgelaufen", sagte Kraft. Nach der Nominierung Steinbrücks als SPD-Kanzlerkandidat sei die Partei nun "im Wahlkampfmodus", sagte die Sozialdemokratin.
Auf dem Parteitag stellte sich die Ministerpräsidentin zur Wiederwahl als Parteichefin des SPD-Landesverbands. In Münster erhielt Kraft am Samstag 99,08 Prozent der Stimmen. Seit Januar 2007 ist sie Vorsitzende des mitgliederstärksten Landesverbandes. Schon vor zwei Jahren erhielt die Sozialdemokratin bei ihrer Wiederwahl mehr als 99 Prozent der Stimmen.
Umfragen: Gute Werte für Steinbrück
Die Mehrheit der Deutschen hält laut einer Umfrage den früheren SPD-Finanzminister Steinbrück für einen guten Kanzlerkandidaten. Eine Blitzerhebung des ARD-Deutschlandtrends ergab, dass 58 Prozent der Bürger die Personalentscheidung der Sozialdemokraten befürworten. 21 Prozent waren nicht dieser Ansicht.
Bei einer Direktwahl des Bundeskanzlers läge allerdings Regierungschefin Merkel (CDU) klar vorne: 50 Prozent würden sich für sie entscheiden, nur 36 Prozent wollten Steinbrück wählen. Im Vergleich zur Umfrage im Juli verbesserte sich die Kanzlerin um fünf Prozentpunkte, Steinbrück fiel hingegen um den gleichen Wert. Für die Blitzumfrage befragte das Meinungsforschungsinstitut Infratest dimap im Auftrag der ARD-Tagesthemen bundesweit 1.001 Wahlberechtigte.
Am Freitag hatte SPD-Chef Gabriel Steinbrück als Kanzlerkandidaten vorgeschlagen – rund ein Jahr vor der nächsten Bundestagswahl. Eigentlich sollte die Entscheidung erst Anfang 2013 fallen. Doch dann wurde der Druck auf die sogenannte Troika zu groß. Steinbrück war von 2002 bis 2005 Ministerpräsident einer rot-grünen Koalition in Düsseldorf. Der 65-Jährige hat auch seinen Wahlkreis in Nordrhein-Westfalen.
Die Nachricht stieß bei vielen Sozialdemokraten, aber auch bei Grünen und FDP auf Zustimmung. Auf Distanz dagegen gingen die Parteilinken der Sozialdemokraten sowie die Partei Die Linke.
kle/hp/sc (dpa, dapd, Phoenix)