Starke Frauen im afrikanischen Kino
21. September 2016Ihre Eltern möchten, dass sie Medizin studiert, aber die 18-jährige Farah will vor allem eins: in ihrer Rock-Band singen. In ihren Liedern spricht die junge Tunesierin die Probleme ihres Landes an: Armut, Arbeitslosigkeit und fehlende Perspektiven, weswegen sich viele junge Menschen gezwungen sehen, auszuwandern.
Die kritischen Texte bringen Farah bald in Schwierigkeit. Denn der Film "Kaum öffne ich die Augen", mit dem das Kölner Afrika Film Festival eröffnet wurde, spielt im Jahr 2010, nur einige Monate vor dem Sturz von Präsident Ben Ali.
In dieser Zeit wurde Tunesien noch autoritär regiert - Meinungsfreiheit war ein Fremdwort. "Es ist kein Film über die Revolution, sondern über die Ära Ben Ali. Sie hat mehr als 20 Jahre gedauert und vorher durfte man über diese Zeit überhaupt nicht reden", erzählt die tunesische Regisseurin Leyla Bouzid.
Nach der Revolution sei die Zeit gekommen, dieses Kapitel der Geschichte zu verarbeiten - vor allem die letzten Jahre der Ben-Ali-Diktatur. Mit ihrem ersten Spielfilm wollte Leyla Bouzid eine Jugend porträtieren, die sich nach Freiheit sehnt. "Das Land wurde zu einem Polizeistaat, die Tunesier waren paranoid. Dem gegenüber stand eine Jugend voller Energie, die langsam unruhig wurde, aber die vom System ausgebremst wurde."
Durchsetzungsstark und würdevoll
Viele Filme, die auf dem Festival gezeigt werden, handeln von starken Frauen, die sich trotz politischem oder gesellschaftlichem Druck ihren eigenen Weg erkämpfen.
Zum Beispiel Ayanda, eine junge Frau, die - im gleichnamigen Film der Südafrikanerin Sara Blecher - nach dem Tod ihres Vaters dessen Autowerkstatt übernimmt.
Oder Mathilde, die im Film "WAKA" der kamerunischen Regisseurin Françoise Ellong nie ihre Würde verliert, obwohl sich die alleinerziehende Mutter prostituieren muss, um für ihren Sohn zu sorgen.
Der Kurzfilm "Soeur Oyo" der kongolesischen Filmemacherin Monique Mbeka Phoba spielt während der Kolonialzeit. Im belgischen Kongo der 1950er Jahren wird ein zehnjähriges Mädchen, Godelive, auf ein katholisches Internat geschickt, geführt von belgischen Nonnen. Weit weg von ihrer Familie muss sich das Mädchen einer fremden Sprache und einer fremden Kultur anpassen.
Der Film basiert auf der Geschichte von Mbeka Phobas Mutter, die selbst auf diese Schule ging - "eine Schule, die von der Realität der Kongolesen völlig abgeschnitten war", so Mbeka Phoba. Diese Erfahrung sei für ihre Mutter ein gewaltiger Kulturschock gewesen. Er beeinflusste nicht nur ihr ganzes Leben, sondern auch später die Erziehung ihrer Tochter.
Monique Mbeka Phoba zieht eine Parallele zur Geschichte vieler Afrikaner heute: "Haben wir die Gewalt der Kolonisation wirklich überwunden? Ich glaube, die Auswirkungen sind bis heute spürbar."
Klischees durch Filme überwinden
Mit ihrem Themenschwerpunkt "Sisters in African Cinema" geht es den Organisatoren nicht nur darum, die Vielfalt von Themen, Genres und Formaten bei Filmen afrikanischer Frauen zu zeigen. Der Fokus auf Filmemacherinnen dient auch dazu, Klischees entgegenzutreten.
Zwar gibt es in Afrika - wie auch überall sonst auf der Welt - noch immer mehr männliche als weibliche Filmemacher. Doch dank moderner Technik wird es immer einfacher und auch kostengünstiger, Filme zu produzieren - die Hürden für Frauen werden nicht zuletzt dadurch niedriger.
Die US-amerikanische Forscherin Beti Ellerson hat die Organisatoren des Kölner Afrika-Filmfestivals bei der Auswahl der Filme beraten. Sie ist Autorin des Buches und Dokumentarfilms "Sisters of the Screen", in dem es um Frauen im afrikanischen Kino geht.
"Die neuen Technologien haben viel verändert und für Frauen einen besseren Zugang zum Filmschaffen ermöglicht. Das hat mehr Gleichheit gebracht", sagt Ellerson. In den vergangenen 20 Jahren sei die Zahl der Frauen in der afrikanischen Filmindustrie stark gestiegen. Auch bekämen die Filmemacherinnen immer mehr Anerkennung.