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Standards und Konter schlagen Ballbesitz

Tobias Oelmaier, München30. April 2014

Insgesamt 28 Spieler von Bayern München und Real Madrid standen sich im Champions-League-Halbfinale gegenüber. Aber das Spiel, das die Madrilenen 4:0 für sich entschieden, war auch ein Duell der Trainer.

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Champions League Halbfinale FC Bayern München - Real Madrid (Foto: Martin Rose/Bongarts/Getty Images)
Bild: Getty Images

In der 85. Minute kam endlich Mimik in Carlo Ancelottis Pokerface. Bis dahin waren seine Gesichtsmuskeln nur durch das unablässige Zermalmen seines Kaugummis aktiviert worden. Aber fünf Minuten vor dem Schlusspfiff wusste der Italiener in Diensten von Real Madrid: Da kann nichts mehr passieren. Auch nicht gegen die "bestia negra", gegen die schwarze Bestie. Sein Plan war aufgegangen. Real führte zu diesem Zeitpunkt mit 3:0, ein weiterer Treffer sollte sogar noch folgen, die Niederlage zu einer Demütigung für den FC Bayern machen und zu einer Demonstration des Könnens für sein Team. Also ging Ancelotti auf die Trainerbank zu, auf der er während des Spiels so gut wie nie Platz genommen hatte, und klatschte das versammelte Personal ab: Seinen Co-Trainer Zinedine Zidane, den weiteren Trainerstab, die Ersatzspieler, Abwehrmann Sergio Ramos, den er kurz zuvor vom Feld geholt hatte.

Die Schwächen der Raumdeckung

Dieser Sergio Ramos hatte schon früh für die Entscheidung an diesem Abend gesorgt. Erst nach einer Ecke, dann nach einem Freistoß war er mit dem Kopf zu Stelle, und ehe sich die Münchener versahen, stand es 2:0. "Natürlich haben wir diese Standards einstudiert", erzählte Ancelotti nach der Partie bereitwillig, "wir wussten ja um die Raumdeckung der Bayern." Sie hätten es besser gemacht als im Hinspiel, hätten mehr Kontrolle über das Spiel gehabt, und dass er starke Konterspieler in seinen Reihen hat, wusste er schon vorher.

Champions League Halbfinale FC Bayern München - Real Madrid (Foto: ODD ANDERSEN/AFP/Getty Images)
Bild: Odd Andersen/AFP/Getty Images

Wenig später musste ein ruhiger, ein enttäuschter Bayern-Trainer Pep Guardiola im Presseraum die Niederlage des Titelverteidigers erklären. "In 27 Bundesliga-Spielen haben wir vielleicht zwei Tore nach Standards bekommen, als wir in Raumdeckung gespielt haben, in der Bundesliga sind sie große Spieler", versuchte er sein System zu rechtfertigen. Auch an dem in letzter Zeit so häufig kritisierten Ballbesitzfußball habe es nicht gelegen. "Wir haben nicht gegen Madrid verloren, weil wir den Ball hatten. Wir hatten ihn in der ersten Halbzeit nämlich gar nicht. Wir haben nicht miteinander gespielt, deshalb haben wir verloren."

Einzig Bastian Schweinsteiger und Toni Kroos hätten das Spiel beruhigt, sagte Guardiola der Deutschen Welle, die anderen Spieler seien dazu nicht in der Lage gewesen, sie seien nur gelaufen, hätten zwar gekämpft, aber eben nicht gespielt. Erst in der zweiten Halbzeit sei das besser geworden. Ob das nun daran lag, dass die Madrilenen einfach einen Gang zurückgeschaltet haben, oder weil der FC Bayern seine Taktik geändert hat, sei dahingestellt. Die Statistiker jedenfalls haben festgehalten, dass Guardiolas Team vor der Pause 63 Prozent Ballbesitz hatten, nach der Pause 64 Prozent. Signifikanz sieht anders aus.

Die Spannung ausgeredet

Guardiola, der sich schon nach 20 Spielminuten in der Allianz-Arena, nach dem 0:2, immer wieder verlegen über den Kopf streichelte, schafft es derweil noch, kritische Nachfragen durch eher unpräzise und schwer verständliche Antworten abzublocken. Sein sehr freundlich-joviales Auftreten rettet ihn vielleicht auch vor mehr Kritik. Dabei muss er sich sicher auch intern dem Vorwurf stellen, seinen Profis die Konzentration systematisch weggeredet zu haben. "Die Bundesliga ist vorbei", ließ er nach errungenem Meistertitel, mithin dem 27. Spieltag, jeden wissen, der danach fragte. Und mit teilweise wüsten Personalrochaden unterstrich er diese Aussage auch Partie für Partie. Jupp Heynckes, im vergangenen Jahr nach 28 Spieltagen Meister mit fast derselben Mannschaft, hatte immer wert darauf gelegt, die Spannung hoch zu halten.

"Das waren zwei Standards, das ist blöd gelaufen, und dann wird es schwer", analysierten die beiden Außenverteidiger David Alaba und Philipp Lahm den Anfang vom Ende gegen Madrid ebenso gleichlautend wie inhaltsarm. Beide wurden nach der Partie nicht müde zu betonen, dass man jetzt nicht gleich alles in Frage stellen dürfe. Mit der Meisterschaft, dem Halbfinale der Champions League und dem Erreichen des Pokalendspiels sei es eine tolle Saison, die der FC Bayern da spiele.

Unterdessen verlässt Carlo Ancelotti das Münchener Stadion. Kaugummi kauend. In der Gewissheit, zwar weniger Ballbesitz sein Eigen nennen zu dürfen, aber insgesamt 5:0 Tore aus Hin- und Rückspiel. Und den dritten Champions-League-Titel seiner Trainerkarriere vor Augen. Ein echter Taktik-Fuchs eben. Italiener halt...