Stadtjubiläum mit Hindernissen in Kaliningrad
2. Juli 2005
Kaliningrad, auf den Trümmern des zerstörten Königsberg entstanden, gilt in Russland als Symbol für den Sieg der Roten Armee über Nazi-Deutschland. Die Geburtsstunde der russischen Stadt Kaliningrad war der "Schturm Kenigsberga" im April 1945. Die Stadt fiel als Kriegsbeute an die Sowjetunion und ist heute Russlands westlichste Gebietshauptstadt.
Der 60. Jahrestag des Kriegsendes 2005 und die 750-Jahr-Feier werden deshalb im Zusammenhang wahrgenommen - der Stadtgeburtstag hat auch politischen Charakter, über den lange diskutiert wurde in der russischen Exklave an der Ostsee. Beendet wurden die Debatten wie oft in Russland mit einem Erlass des russischen Präsidenten Wladimir Putin.
Historische Vereinnahmung
Die offizielle Anweisung lautet: Zu feiern sei "750 Jahre Kaliningrad". Das 60-jährige Bestehen des Kaliningrader Gebietes solle 2006 begangen werden, so die Order. Für beide Anlässe ließ Putin ein Organisationskomitee bilden. Dessen prominente Besetzung mit Wirtschaftsminister German Gref an der Spitze zeigte, dass dem Jubiläum im Kreml höchste Bedeutung beigemessen wird. Das Konzept für die Feierlichkeiten verdeutlicht die Versuche der russischen Seite, von der fast 700-jährigen deutschen Vergangenheit der Stadt abzulenken. Gegründet wurde die Stadt 1255 durch den Deutschen Ritterorden.
Obskure Akzente
Kaliningrad wird zwar eine europäische Vergangenheit zugestanden, betont werden aber die historischen Verbindungen nach Böhmen. Die Königsberger Burg sei auf Rat des böhmischen Königs Ottokar gegründet worden, lautet die russische Begründung. Zum Symbol der Jubiläumsfeierlichkeiten erklärten die Behörden deshalb auch das bis dahin weitgehend unbeachtete, unsanierte und am östlichen Rand des Stadtzentrums auf einer Verkehrsinsel gelegene Königstor aus dem Jahr 1843.
Das bei den Einheimischen sehr beliebte eigentliche Wahrzeichen, der Königsberger Dom, wurde bei der Auswahl nicht berücksichtigt. Zu all dem ideologischen Streit kam auch noch die Blockade der Moskauer Finanzverwaltung, die das nötige Geld für die Feiern aus dem Föderationshaushalt erst im Herbst 2004 freigab. Damit blieben den Verantwortlichen in Kaliningrad genau acht Monate, um ihre Stadt für das Jubiläum herzurichten.
In Russlands Sinne herrichten
Was der Geldzahlung folgte, war ein seit Jahrzehnten nicht dagewesener Bauboom: Fassaden wurden gestrichen, Dächer ausgebessert, Grünanlagen bepflanzt, Straßen asphaltiert, Tramgleise erneuert und Bürgersteige befestigt. Die Christus-Erlöser-Kathedrale, zu Jahresbeginn noch ein Rohbau, wuchs in kürzester Zeit zu einem fast 70 Meter hohen, marmorweißen orthodoxen Kirchenbau mit goldenen Kuppeln heran und symbolisiert die Präsenz der russisch-orthodoxen Kirche.
Der "Platz des Sieges" verwandelte sich innerhalb weniger Monate von einer bröckeligen leeren Betonfläche in einen Stadtplatz mit Zierbäumchen, Springbrunnen und Granitbänken. Das "Haus der Räte", seit 20 Jahren eine Bauruine, erhielt einen weißen Anstrich und Fenster - Potemkin lässt grüßen.
Nachbarn im Baltikum werden "abgestraft"
Der Fortgang der Bauarbeiten wurde aus Moskau strengstens kontrolliert - werden doch hochrangige Gäste zu den Feierlichkeiten erwartet. Bundeskanzler Gerhard Schröder und Frankreichs Präsident Jacques Chirac wurden von Putin ausdrücklich eingeladen und haben auch ihr Kommen zugesagt.
Der polnische Staatspräsident Aleksander Kwasniewski und sein litauischer Amtskollege Valdas Adamkus müssen zu Hause bleiben - beide Repräsentanten der unmittelbaren Nachbarstaaten Kaliningrads wurden nicht eingeladen. Das sei "mehr als ein Fehler", kommentierte Kwasniewski. (ap/arn)