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Politik

Polizist bei Protesten im Iran erschossen

1. Januar 2018

Bei den Protesten im Iran sind angeblich ein Polizist getötet und drei weitere verletzt worden. Irans Führung ist mit dem stärksten Widerstand seit Jahren konfrontiert. Der Präsident versucht zu beruhigen.

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Iran Proteste gegen Regierung in Teheran
Protest vor der Teheraner Universität am SamstagBild: Getty Images/AFP/STR

Bei einer Kundgebung in der zentraliranischen Stadt Nadschafabad sollen ein Polizist erschossen und drei weitere verletzt worden sein. Dies meldete die Onlineseite des Staatsfernsehens. Es sei zu gewalttätigen Auseinandersetzungen gekommen. Ein "Unruhestifter" habe daraufhin mit seinem Jagdgewehr auf die Sicherheitskräfte gezielt.

Schon vor dem Vorfall waren nach Angaben des Staatsfernsehens seit Beginn der Proteste zwölf Menschen zu Tode gekommen. Zehn von ihnen starben demnach bei Demonstrationen in verschiedenen Regionen des Landes. Zwei weitere Menschen - ein alter Mann und ein Kleinkind - kamen bei einem Unfall während der Proteste im westiranischen Dorud ums Leben.

Irans Führung ist mit den heftigsten Protesten seit Jahren konfrontiert. Die Regierungskritiker, das Staatsfernsehen nennt sie Aufrührer, setzten am Montagabend ihre Proteste fort. In der Hauptstadt Teheran sind laut sozialen Medien seit Einbruch der Dunkelheit kleinere Gruppen von Demonstranten in der Innenstadt unterwegs und skandieren regierungsfeindliche Parolen. Die iranische Presseagentur Mehr meldete, ein "Unruhestifter" habe ein Taxi in Brand gesetzt und sei danach geflohen. Auch die Nachrichtenagentur Fars verbreitete das Foto von einem brennenden Wagen.

Da die staatlich gelenkten Medien der Islamischen Republik über die Proteste im Detail kaum berichten, werden viele Informationen und Videos über soziale Netzwerke verbreitet. Eine unabhängige Verifizierung der Ereignisse ist daher fast unmöglich.

Regierungskritiker werfen Rohani Rhetorik vor

In Teheran fand eine Krisensitzung statt, an der Präsident Hassan Rohani und Mitglieder der Sicherheitskommission teilnahmen. Dabei äußerte Rohani Verständnis für die Demonstrationen und räumte nun auch "Mängel" im politischen System ein. Es sei ein Fehler, die Proteste nur als ausländische Verschwörung einzustufen, sagte der Präsident. "Auch sind die Probleme der Menschen nicht nur wirtschaftlicher Natur, sondern sie fordern auch mehr Freiheiten." 

Hassan Rohani
Präsident Rohani: "Chance statt Gefahr" - ein Fingerzeig Richtung Hardliner?Bild: picture-alliance/Iranian Presidency Office

Er kritisierte damit indirekt die Hardliner, die die Umsetzung seiner politischen und kulturellen Reformen blockieren. "Die Regierung hat nicht alles unter ihrer Kontrolle", sagte Rohani, der sich als Präsident bei vielen Themen, die ihm wichtig sind, dem erzkonservativen Klerus des Landes beugen muss. Seiner Meinung nach sollten die Proteste daher "nicht als Gefahr, sondern als Chance" angesehen werden.

Auch in seiner ersten Reaktion am Sonntagabend war Rohani auf die Kritiker und Demonstranten zugegangen. Er bezeichnete in einer Rede Proteste als deren legitimes Recht, warnte aber zugleich vor Ausschreitungen, die die Sicherheit des Landes gefährden könnten.

Rohanis moderate Töne wurden von Regierungskritikern in sozialen Netzwerken als Rhetorik bewertet. Das Innenministerium würde nach Meinung vieler Iraner niemals Anträge auf Protestversammlungen genehmigen, die nur ansatzweise Kritik am Establishment üben würden.

Bundesregierung besorgt über Lage im Iran

Angesichts der Proteste forderte der deutsche Außenminister Sigmar Gabriel die Führung in Teheran auf, die Rechte friedlicher Demonstranten zu wahren und die Versammlungsfreiheit zu respektieren. Er sei "sehr besorgt" angesichts der Meldungen über getötete Demonstranten und zahlreiche Verhaftungen, sagte Gabriel in Berlin. Nach den Konfrontationen der vergangenen Tage sei es "umso wichtiger, allseits von gewaltsamen Handlungen Abstand zu nehmen".

Frust treibt Iraner auf die Straße

Die Protestwelle im Iran ist die größte seit der gewaltsam unterdrückten Bewegung gegen die Wiederwahl des damaligen ultrakonservativen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad 2009. Damals gingen Millionen Iraner vor allem in Teheran auf die Straße, weil sie überzeugt waren, dass Ahmadinedschad seine Wiederwahl zum Präsidenten einem organisierten Betrug des Regimes zu verdanken hatte. 

Ausgangspunkt der jüngsten Demonstrationen sind die hohe Arbeitslosigkeit und Preissteigerungen. Inzwischen hat sich die Stimmung gewandelt. Immer mehr werden die Aktionen zu einem Grundsatzprotest gegen die Herrschaft der Mullahs und zur Kritik an der Führung in Teheran. Auch der Wunsch nach Reformen gerät zunehmend in den Fokus der Proteste.

qu/stu (dpa, rtr, afp)