Appelle gegen Eskalation in Nahost
23. Juli 2017Laut der Polizei hielten sich die zwei Jordanier zu Schreinerarbeiten in einem Wohngebäude auf dem Gelände der israelischen Botschaft auf, als es zu der tödlichen Schießerei kam. Ob es einen Zusammenhang mit dem jüngst eskalierten Streit um den Tempelberg in Jerusalem gibt, ist noch unklar. Die Umgebung der Botschaft wurde abgesperrt; Ermittlungen wurden aufgenommen.
Am Freitag hatten auch in Jordanien tausende Menschen wegen des Streits um den Zugang zum Tempelberg gegen Israel demonstriert. Israel hatte nach einem Anschlag auf zwei israelische Polizisten in der Jerusalemer Altstadt Mitte Juli die Kontrollen zum Tempelberg verschärft und Metalldetektoren sowie zusätzliche Überwachungskameras am Eingang installieren lassen.
Israel und Jordanien hatten 1994 einen Friedensvertrag unterzeichnet. Jordanien fungiert als "Wächter" der muslimischen Heiligtümer in Jerusalem.
Der UN-Sicherheitsrat berät an diesem Montag über die schwerste Gewaltwelle in Israel und den besetzten palästinensischen Gebieten seit Jahren. Die Dringlichkeitssitzung hätten Schweden, Frankreich und Ägypten beantragt, teilte die schwedische Außenministerin Margot Wallström mit. "Dialog, Deeskalation und die Wahrung des Status quo an den heiligen Stätten" seien unbedingt notwendig.
Bei den Auseinandersetzungen waren binnen 24 Stunden sieben Menschen gestorben. Dem Roten Halbmond zufolge wurden 450 Menschen in Jerusalem und dem Westjordanland verletzt, viele durch Tränengas.
Das Nahost-Quartett aus USA, Russland, EU und den Vereinten Nationen rief die Konfliktparteien zu "maximaler Zurückhaltung" auf. Israel und Jordanien müssten zusammenarbeiten, um den Status quo an den heiligen Stätten zu wahren. Das Auswärtige Amt in Berlin appellierte an die Beteiligten, zur Deeskalation beizutragen. Zur Mäßigung mahnte ebenfalls Papst Franziskus am Sonntag nach dem Angelus-Gebet in Rom.
Israel "spielt mit dem Feuer"
Die Außenminister der Arabischen Liga wollen dem Vernehmen nach am Mittwoch in Kairo beraten. Generalsekretär Ahmed Abul Gheit warnte Israel vor gefährlichen Konsequenzen. "Die israelische Regierung spielt mit dem Feuer und riskiert es, eine große Krise mit der arabischen und der islamischen Welt auszulösen", sagte er nach Angaben eines Sprechers in Kairo. Jerusalem sei für Araber und Muslime eine rote Linie, die nicht überschritten werden dürfe.
Ausgelöst wurde die Gewalteskalation, weil Israel vor dem Freitagsgebet am Tempelberg Metalldetektoren aufgestellt und nur Männern über 50 und Frauen den Zugang gestattet hatte. Medien berichten, Israels Inlandsgeheimdienst Schin Bet und andere Sicherheitsexperten hätten Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eindringlich gewarnt, der Streit um die Detektoren am Tempelberg könne gefährlich werden.
Palästinenser-Präsident Mahmud Abbas hatte daraufhin eine Aussetzung sämtlicher Kontakte zu Israel angekündigt. Der Abbruch der Beziehungen zu Israel könnte weitreichende Folgen haben. Palästinensische Behörden arbeiten in der Regel selbst in Krisenzeiten eng mit israelischen Sicherheitsbehörden zusammen, um Anschläge zu verhindern.
Überwachungskameras am Tempelberg
Der Einsatz von Metalldetektoren ist Reaktion auf den Anschlag dreier Muslime, die am 14. Juli zwei israelische Polizisten getötet hatten. Auf dem Tempelberg befinden sich mit der Al-Aksa-Moschee und dem Felsendom sowie der Klagemauer zentrale religiöse Stätten des Islam und den Judentums. Palästinensern und Muslimen weltweit gelten die Kontrollen als ein weiterer Versuch der israelischen Besatzungsmacht, Jerusalem zu "judaisieren". Am Sonntag brachte die israelische Regierung neue Überwachungskameras am Tempelberg an. Bisher ist unklar, ob sie die Metalldetektoren ersetzen oder ergänzen sollten - die Palästinenser lehnen allerdings beide Maßnahmen strikt ab.
Seit Freitagabend wurden vier Palästinenser im Westjordanland getötet sowie drei jüdische Siedler, die ein 19-jähriger Palästinenser erstochen hat. Israels Ministerpräsident Netanjahu ordnete an, das Haus seiner Familie zu zerstören. Die israelische Regierung entsandte außerdem zusätzliche Soldaten ins besetzte Westjordanland.
Israels Inlandsgeheimdienst Schin Bet teilte mit, 25 Männer festgenommen zu haben, die der im Gazastreifen herrschenden radikalislamischen Hamas angehörten. Es handele sich um eine Vorsichtsmaßnahme, unter den Festgenommenen seien "ranghohe Mitglieder" der Hamas.
hin/stu (dpa, rtr, afp, kna)