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St. Hedwigs-Kathedrale - katholische Kirche zurück in Berlin

23. November 2024

Neues in alter Hülle. Im überwiegend protestantischen Berlin wird die katholische Sankt Hedwigs-Kathedrale nach Sanierung wiedereröffnet. Mit einem radikal neu gestalteten Innenraum.

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Sankt-Hedwigs-Kathedrale in Berlin - Kuppelbau in der Sonne
Kuppelbau nach römischen Vorbild - die Sankt Hedwigs-Kathedrale in Berlin MitteBild: Christian Behring/POP-EYE/IMAGO

Eine lichtdurchfluteter, weiter Raum. Wer die frisch renovierte katholische Sankt Hedwigs-Kathedrale im Herzen von Ost-Berlin betritt, mag staunen oder irritiert sein über die während einer über sechsjährigen Schließung neu gestaltete katholische Bischofskirche.

Es ist ein geradezu radikaler Neuanfang - nach langem Streit. So ist die zentrale, acht Meter breite Bodenöffnung im Kirchenraum mit der Rundtreppe zur Krypta verschwunden, die beim späten Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg entstanden war. Den einen war sie ein architektonisches Highlight zwischen den Ebenen, den anderen einfach nur ein störendes Loch. 

der neue Altar der St. Hedwigs-Kathedrale Berlin. Das Foto stammt vom November 2023, nach der Einbringung des Altars in den Raum.
Der neue Altar der Kathedrale - gut zu erkennen sind die Steine aus allen Teilen des ErzbistumsBild: Christoph Strack/DW

Exakt im Zentrum unter der 30 Meter hohen Kuppel steht jetzt der schlicht anmutende Altar. Es ist eine aus einer Zement-Sand-Mischung gegossene Halbschale. In sie sind mehr als tausend Steinchen und Steine eingegossen, die Menschen aus allen Teilen des Erzbistums beigetragen hatten. 

Der anders gestaltete Kirchenraum

Darum sind kreisförmig die Stühle der Gläubigen angeordnet. Ansonsten... keine bunten Bilder, keine Putten, kein großes Kreuz, keine Stufen zum Altar, keine Chorschranken zwischen dem Altar und den Stühlen, zwischen dem Priester und den Gläubigen. Dompropst Tobias Przytarski spricht von einem "wunderbaren Raum, den wir ganz neu gewonnen haben".

Prunk und Pracht finden sich andernorts. Bei der benachbarten klassizistischen "Staatsoper Unter den Linden" und der Humboldt-Universität am zentralen Bebelplatz. Oder beim von Neobarock und Neorenaissance geprägten evangelischen Berliner Dom, der kaum fünf Gehminuten entfernt ist. Heute zählt auch das erst wenige Jahre alte Humboldtforum dazu, das in Teilen wirkt wie eine bauliche Wiederkehr vergangener Zeiten.

Berlin Sankt-Hedwigs-Kathedrale während der Renovierung. Noch fehlt die Bestuhlung. Der Altar ist verborgen unter einem Teil der Deckenkonstruktion.
Der künftige Kirchenraum - der Altar ist noch verborgen unter einem Teil der DeckenkonstruktionBild: Rolf Zoellner/epd/IMAGO

Die Neugestaltung der Kathedrale macht indes wieder deutlich, worauf sich schon die Architekten der Kirche des 18. Jahrhunderts bezogen. Denn Vorbild des Baus ist das römische Pantheon, für Rom-Touristen Teil des Pflichtprogramms. Der Rundbau aus dem zweiten nachchristlichen Jahrhundert wurde erst 500 Jahre später zur christlichen Kirche. Die Kirchen der frühen Jahrhunderte, sagt Architekt Peter Sichau, seien meist solche Rundbauten gewesen, bei denen die eigentliche Feier im Mittelpunkt gestanden habe. Nun sei die Kathedrale wieder ein "Raum der Feier", in dem es möglich sei, "den Menschen zur Gotteserfahrung zu verhelfen". Deshalb sei der Raum "von allen Ablenkungen befreit".

Eigentlich erzählt die Kathedrale auch viel über Berlin. Denn "Sankt Hedwig", 1773 eingeweiht, war das erste katholische Gotteshaus in der Stadt und im Land Preußen seit der Reformation. Im protestantisch geprägten Preußen ermöglichte der aufgeklärte König Friedrich II. mitten im Herzen der prächtigen Berliner Mitte den Bau.

Bis heute ist es das einzige katholische Gotteshaus im Zentrum von Ost-Berlin. Heutzutage gilt Berlin auch als "Hauptstadt der Religionen", in der in Kirchen, Synagogen und Moscheen, in Tempeln von Hindus, Buddhisten und auch Anhängern einer brasilianischen Naturreligion gebetet und gefeiert wird.

Der Berliner Erzbischof Dr. Heiner Koch. Er steht inmitten des fast fertigen Kirchenrunds. Im Hintergrund ist schwach ein Teil des Beleuchtungskranzes zu sehen, der künftig in der Kuppel hängt.
Heiner Koch, Erzbischof von BerlinBild: picture alliance / epd-bild

Und doch bilden die Menschen ohne jedes religiöse Bekenntnis heute die mit Abstand größte weltanschauliche Gruppe der Stadt. Für den Berliner Erzbischof Heiner Koch hatte gerade dieser Aspekt Bedeutung bei der Neugestaltung. "Wir haben wesentlich darauf geachtet, dass wir auch Menschen ansprechen, die nicht im christlichen Glauben verwurzelt sind", sagt er. Schließlich ist, wie er erläutert, die Kathedrale auch die "katholische Kirche in der Bundeshauptstadt" und wird durchaus für Feiern mit der großen Politik genutzt. 

Der Erzbischof hofft darauf, dass das Gotteshaus mit seiner Neugestaltung künftig vermehrt Passanten und Touristen anzieht. Der Bau solle ein Ort sein, an dem sich "in einem offenen und herzlichen Geist Christen, Menschen anderer Religionen und Menschen ohne religiöse Beziehung in aller Offenheit begegnen und von- und miteinander lernen".  

Dass die Kathedrale auch so etwas ist wie das Herz des Erzbistums, zeigt das drei Meter hohe Untergeschoss der Kirche. Im Mittelpunkt, direkt unter der Kuppel und unter dem Altar, befindet sich ein kreuzförmiges Taufbecken mit fließendem Wasser, das - ungewöhnlich für katholische Kirchen – groß genug ist, um einen erwachsenen Menschen zur Taufe unterzutauchen.

Darum reihen sich zwölf Themenräume, modern gestaltete Kapellen für Meditation und Gebet, Räume für Beichtgespräche. Auch ein "Raum der Umkehr", bei dem es um die Täterschaft von Klerikern bei sexualisierter Gewalt in der Kirche geht.

Kunstwerk in der Kirche - es zeigt Griffe von Särgen, die auf einem Stein angeordnet sind
Das Kunstwerk "Auferstehung" in einem der Themenräume, gestaltet aus Griffen von SärgenBild: Rolf Zoellner/epd/IMAGO

Am bedeutendsten ist sicher die Grablege des früheren Dompropstes Bernhard Lichtenberg (1875-1943), der  sich in der Zeit des Nationalsozialismus für die verfolgten Juden einsetzte und nach längerer Haft auf dem Weg ins KZ Dachau starb. Das Gedenken an seinen Mut gegen die Nazis wird im Erzbistum sehr gepflegt.

Die Kosten

Bauen ist teuer. Das gilt auch für die katholische Kirche, die in Deutschland - auch in Berlin - ansonsten eher Kirchengebäude verkauft oder abreißt. Viele Arbeiten an der Kathedrale, gerade bei Elektrik und Elektronik, waren laut Bistum überfällig. In Teilen entsprach die Renovierung sogar dem Aufwand eines Neubaus.

2016 war mit 40 Millionen Euro Baukosten kalkuliert worden. Nun sollen die Baukosten nach Angaben des Erzbistums rund 44,2 Millionen Euro betragen. Das Erzbistum Berlin trägt diese Kosten nicht allein. Von den anderen Diözesen in Deutschland, dem Bund und dem Land Berlin kam finanzielle Unterstützung.

Weitaus teurer wird die noch über ein Jahr laufende Renovierung beziehungsweise der teilweise Neubau des Bernhard-Lichtenberg-Hauses hinter der Kathedrale. Statt der geplanten 20 Millionen Euro fallen dafür weit über 30 Millionen Euro an. Das Erzbistum habe dafür aber Rücklagen gebildet, sagt Dompropst Przytarski.