Späte Strafe
1. April 2003Die Richter ließen keine mildernden Umstände gelten. Der 56-jährige Mladen Naletilic, genannt "Tuta", muss für 20 Jahre ins Gefängnis, sein Unterführer, der 39-jährige Vinko Martinovic, "Stela", wurde zu 18 Jahren verurteilt. Beide wurden am Montag (31.3.2003) schuldig befunden, muslimische Zivilisten und Kriegsgefangene verfolgt, misshandelt und unmenschlich behandelt zu haben. Es ist das erste Urteil des Haager Tribunals zu den Verbrechen in der bosnischen Stadt Mostar.
Die beiden bosnischen Kroaten werden für mehrere Verbrechen gegen die Menschlichkeit während des Bosnien-Krieges zwischen 1993 und 1994 in der Stadt Mostar und Umgebung verantwortlich gemacht. Naletilic "Tuta" soll damals als Anführer einer paramilitärischen Strafeinheit an einigen der schlimmsten Massaker an bosnischen Muslimen beteiligt gewesen sein.
"Untypische Militärführer"
Die Richter hielten vor allem Naletilic vor, dass er als "untypischer Militärführer" in der Auseinandersetzung zwischen Kroaten und Serben den Ruf einer "lebenden Legende" erworben hatte. Damit hätte er die Macht gehabt, die Massaker an den Muslimen zu verhindern. Stattdessen aber habe er vor seinen Soldaten an Grausamkeiten mitgewirkt. Nach Ansicht der irischen Richterin Maureen Clark sind "Tuta" und "Stela" für einen "großen Teil des Leides" verantwortlich.
Naletelic, der in den 70er Jahren in Deutschland gelebt und Kontakte zur terroristischen "Rote Armee Fraktion" (RAF) unterhalten haben soll, war erst 1997 von den kroatischen Behörden verhaftet worden. Die verzögerten seine Auslieferung immer wieder und verwiesen dabei auf die angeblich schwache Gesundheit von Naletilic. Tutas Unterführer "Stela" wurde des Mordes schuldig befunden. Er sei eine Beispiel für die "Kriegsgewinnler", die in Kriegszeiten emporkämen und sich zu Kommandeuren erklärten, so die Richter.
Willige Vollstrecker
Das Gericht blieb allerdings unter den Forderungen der Anklage von 35 Jahren Haft für "Tuta" und 25 Jahren für "Stela". Die Richter räumten ein, die beiden seien nicht als "Architekten" der Politik zu beurteilen, die zur Vertreibung der Muslime aus Mostar geführt habe. Die Angeklagten hätten diese Politik aber willig und unter Missachtung internationaler Abkommen ausgeführt.
Dadurch sei die in Jahrhunderten gewachsene multikulturelle Stadt Mostar mit ihrer langen Geschichte der Toleranz in einem harten und brutalen Krieg entlang ethnischen Grenzen geteilt und nachhaltig zerstört worden, so die Richter. Dem Krieg ist auch die weltbekannte 400 Jahre alte Steinbrücke über den Fluss Neretwa zum Opfer gefallen. In dem Prozess waren seit September 2001 insgesamt 150 Zeugen gehört worden. (stl)