Spuken oder sparen?
30. Oktober 2009Spinnenweben verdecken die Zäune, Skelette hängen vor den Türen, und ab und zu grinst ein geschnitzter Kürbis von einer Vordertreppe herab: Das Wohnviertel Park Slope in Brooklyn, New York, gleicht einer Gespensterstadt. Und mittendrin steht Fiber Notion, das kuschelige Bastelgeschäft von Kat Riedel. "Halloween ist ein echter Feiertag hier", sagt sie mit einem Lächeln. "Die Leute fangen schon im September mit dem Schmücken ihrer Häuser an."
Fast sechs Milliarden Umsatz
Aber nicht nur Dekorationen werden gekauft. Wenn es an den Türen "Süßes oder Saueres" heißt, dann verschenken die Einwohner massenweise Süßigkeiten. Und keiner traut sich ohne das richtige Kostüm am 31. Oktober auf die Strasse. Für Einzelhändler wie Kat Riedel ist Halloween ein Riesengeschäft . im vergangenen Jahr brachte es mehr als 5,7 Milliarden US-Dollar Umsatz.
Doch vor knapp einem Jahr kamen auch ganz andere Gespenster nach New York - die Wirtschaftskrise hat hier begonnen. Und obwohl Kurse an der Wall Street wieder steigen, gibt es noch überall hohe Arbeitslosigkeit. Trotzdem: die Leute wollen feiern. Ryan, Mitte 20, ist zu Kat Riedel gekommen, um Stoff für einen Hut zu kaufen. Normalerweise gebe er sich nicht so große Mühe, doch dieses Jahr möchte er als "Verrückter Hutmacher" aus "Alice in Wunderland" auf eine Party gehen, sagt er. Die neue Verfilmung läuft noch nicht in den Kinos, doch dieses Kostüm steht neben Michael Jackson und Lady Gaga auf der Top-Ten Liste der Verkleidungen 2009. "Ich wollte eigentlich einen Zylinder kaufen und es verändern", sagt der Online-Redakteur. "Aber so was ist ziemlich teuer. Da dachte ich mir, ich bastele einen Hut lieber selber. Es ist irgendwie kreativer und macht auch mehr Spaß."
Vorwand zum Feiern
Die Verkaufserwartungen für die Halloween-Saison 2009 waren eher düster. Eine Umfrage, die im Vorfeld vom amerikanischen Einzelhandelsverband in Auftrag gegeben wurde, sagte einen Umsatzeinbruch vorher. Doch so wie Ryan scheinen auch andere lieber Spuken als Sparen zu wollen. Eine neue Studie von dem Wirtschafts-Forschungsinstitut IBISWorld geht von einem Rekord-Umsatz dieses Jahr aus. Josh, der Ryan als Freund beratend zur Seite steht, hat dafür eine Erklärung. "Wir brauchen einen Vorwand, um zu feiern", sagt der Schauspieler. "Keiner von uns hat im Moment Geld. Aber Halloween ist eine gute Gelegenheit, sich mal wieder zu verkleiden, Spaß zu haben – und auch mal ein bisschen zu verausgaben."
Auch Kat Riedel spürt die ökonomischen Zwänge. Das Geschäft läuft nicht ganz so gut wie im letzten Jahr. Trotzdem hilft sie ihren Kunden, Alltag und Traumnacht zu vereinen. Statt teurem schwarz-weiß gepunkteten Brokat sucht sie einen preiswerteren grauen Filzstoff für Josh aus. Dazu legt er noch bronzefarbenen Glitzerstoff und ein pink leuchtendes Tuch für die Krempe hinzu.
Alles auf den Müll
Zusammen kostet es Ryan etwas mehr als 30 US-Dollar. Mehr als er eigentlich ausgeben wollten – aber deutlich weniger als die 80 Dollar, die Leute in seinem Alter letztes Jahr im Durchschnitt für das Gruselfest ausgaben. Auch dieses Jahr sind junge Erwachsene zwischen 18 und 24 die stärkste Käufergruppe.
Kat Riedel hofft, dass es so weiter geht. Denn Weihnachten steht quasi auch schon vor der Tür. Viele große Geschäfte haben schon ihre Waren ausgelegt, und versuchen auch hier den zu erwartenden Einbruch mit vielen frühen Rabatten einzudämmen. Für diejenigen, die neben selbstgemachten Kostümen auch auf selbstgemachte Geschenke stehen, hat sie einen Tipp: "Wenn man in den Tagen nach Halloween hier durch die Strassen geht, findet man oft ganz tolle Bastelmaterialien", sagt sie, lacht und schüttelt den Kopf. "Die Leute geben viel Geld aus für die eine Nacht - und schmeißen ihre Kostüme mit der ersten Müllabfuhr wieder weg."
Autorin: Kateri Jochum
Redaktion: Rolf Wenkel