Spricht die EU mit einer Stimme?
25. März 2009Geht man nach den Worten des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy beim jüngsten EU-Gipfel am 20.03.2009 in Brüssel, dann marschiert die Europäische Union als einheitlicher Block zum Weltfinanzgipfel nach London. "Alle sind sich einig über Steueroasen und eine schwarze Liste, über Hedgefonds, Managergehälter, saubere Bilanzierungsregeln von Banken und über die Notwendigkeit von Kontrolle", so Sarkozy.
Doch viele Details dieser einzelnen Punkte sind in der EU weiter umstritten und müssten natürlich in London auch mit den anderen Teilnehmern abgestimmt werden. Ein Beispiel sind die Steueroasen. Der deutsche Finanzminister Peer Steinbrück hatte mit seiner Forderung nach mehr Kooperation im Kampf gegen Steuerhinterziehung heftige Reaktionen nicht nur in der Schweiz, sondern auch in EU-Ländern wie Luxemburg und Österreich ausgelöst. Vorläufiges Ergebnis dieses innereuropäischen Schlagabtauschs ist nun, dass kein EU-Land auf die so genannte "schwarze Liste" unkooperativer Staaten kommen soll.
Finanzmärkte, Wirtschaft und Arbeitsplätze nicht trennen
Immer wieder taucht bei der Krisenbewältigung die Frage auf, welche Schwerpunkte gesetzt werden sollen: die Kontrolle der Finanzmärkte, Nachfragestimulierung oder die Rettung von Arbeitsplätzen? EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso meint, man müsse alle Aspekte zusammen sehen: "Finanzmärkte, Wirtschaft, Arbeitsplätze, das kann man nicht trennen. Wir können nicht Wirtschafts- gegen soziale Fragen in Stellung bringen oder das Soziale gegen Finanzfragen. Wir müssen überall tätig werden."
Der G20-Gastgeber und britische Premierminister Gordon Brown sieht unterdessen eine Gefahr in vielen Ländern, auch in Europa, dass man falsch auf die Krise reagiert. "Ich weiß, die Versuchung für einige besteht darin, dieser Unsicherheit durch Rückzug zu begegnen. Aber ich sage Ihnen, wenn wir irgendetwas aus der Geschichte gelernt haben, dann, dass Protektionismus eine Politik des Defätismus, des Rückzugs und der Angst ist, und am Ende schützt er niemanden", warnte er vor dem Europaparlament.
Keine weiteren Konjunkturprogramme
Bei aller Kompromissbereitschaft in vielen Einzelfragen wird die EU wohl in einem wichtigen Punkt nicht mit sich reden lassen: Noch mehr staatliche Konjunkturprogramme, wie sie zum Beispiel Washington fordert, lehnen die allermeisten Regierungen ab. Manchen Staaten steht das Wasser schon jetzt bis zum Hals.
Der schwedische Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt warnte bereits beim EU-Gipfel vor den Folgen des Geldausgebens: "Wir kommen an den Punkt, wo Europa alles getan hat, was es konnte, und wir kommen gleichzeitig an den Punkt, wo wir in zahlreichen europäischen Volkswirtschaften riesige Haushaltsdefizite haben." Das wiederum werde neue Probleme schaffen und die Zinsen und Steuern nach oben treiben, um diese Defizite auszugleichen.
Ein Grundproblem des G20-Treffens aus europäischer Sicht ist, dass nur eine Minderheit der EU-Staaten nach London fährt, die übrigen sich also gewissermaßen vertreten lassen. Die Frage ist, wie gut sich die vielen Kleinen durch die wenigen Großen vertreten fühlen.
Autor: Christoph Hasselbach, Brüssel
Redaktion: Julia Elvers-Guyot