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Spezialeinheit "Berkut": Zu allem bereit

Olena Perepadya / Markian Ostaptschuk18. Februar 2014

Eigentlich ist sie für die Kriminalitätsbekämpfung da: die Spezialeinheit "Berkut" des ukrainischen Innenministeriums. Jetzt geht sie gegen Demonstranten vor. Ihr brutales Vorgehen ist berüchtigt.

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Sondereinheit "Berkut" vor dem Parlament in Kiew (Foto: AFP PHOTO/ SERGEI SUPINSKY)
Bild: SERGEI SUPINSKY/AFP/Getty Images

Bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und Demonstranten in der ukrainischen Hauptstadt Kiew gab es Tote und Verletzte. Beteiligt an solchen Einsätzen ist vor allem die Spezialeinheit "Berkut" (Steinadler). Sie ist dem ukrainischen Innenministerium unterstellt. Die Kampftruppe hat in den letzten Wochen schon mehrfach die Öffentlichkeit durch ihre Brutalität und Aggressivität bei ihrem Vorgehen gegen Demonstranten schockiert.

Rücksicht nimmt sie dabei offenbar auf niemanden. Das zeigt auch die hohe Zahl der Opfer unter Journalisten: Schon über 100 Reporter und Medienmitarbeiter sind in den letzten Wochen nach Angaben einer Untersuchungskommission des ukrainischen Parlaments bei den Protesten in der Ukraine verletzt worden. Viele von ihnen wurden nach Angaben von Reporter ohne Grenzen gezielt von Sicherheitskräften angegriffen.

Gesetzliche Regelung gefordert

Männer der Spezialeinheit "Berkut" bei ihrem Training (Foto: Innenministerium der Ukraine)
Männer der Spezialeinheit "Berkut" bei ihrem TrainingBild: Innenministerium Ukraine

Experten weisen darauf hin, dass die ukrainischen Spezialeinheiten in einem teilweise rechtsfreien Raum agierten. Zwar gebe es solche Kräfte in praktisch jedem Staat, aber zugleich müssten deren Aufgaben und Einsatzverhalten gesetzlich klar geregelt sein, meint Mykola Chawronjuk vom ukrainischen Zentrum für politische und rechtliche Reformen. Das sei bei "Berkut" nicht gewährleistet. "Die Zuständigkeiten und Pflichten sind nicht eindeutig definiert. Vor allem fehlen Vorschriften dazu, was die Einheit nicht darf", so der Experte.

Eingerichtet wurde "Berkut" im Jahr 1992 als schnelle Eingreiftruppe für eine effektive Bekämpfung organisierter Kriminalität. Bis heute regeln die Tätigkeit dieser Spezialeinheit lediglich Verwaltungsvorschriften des Innenministeriums. Eine klare gesetzliche Grundlage fehlt. Dies bedeutet, dass einzig und allein die Führung des Innenministeriums - also die Regierung - über die Truppe entscheidet. Das Parlament hat keine Kontrolle.

Genügend geeignete Bewerber

Anfangs dienten in der Einheit ehemalige Mitglieder von Sondereinsatzkräften des Militärs sowie erfahrene Milizionäre. Auch heute müssen die Angehörigen der 4000 Mann starken Einheit vor allem körperlich fit und kampferprobt sein. Auf eine Stelle kommen nach Angaben des Innenministeriums vier Bewerber. Doch nicht nur abgehärtete Kämpfer haben Chancen aufgenommen zu werden, sondern auch Kletterer, Taucher und Scharfschützen.

Der durchschnittliche Monatsverdienst liegt, abhängig von Dienstalter und Grad, umgerechnet bei bis zu 500 Euro. Im Vergleich dazu verdient ein einfacher ukrainischer Milizionär nur gut 300 Euro.

Demonstranten als neues Ziel

Im Unterschied zur Miliz sollen die Angehörigen von "Berkut" fähig sein, auch in schwierigen Situationen bewaffnete Kriminelle und organisierte Banden festzunehmen. Auch Geiseln sollen sie befreien können. Die Männer werden darauf in speziellen Trainings vorbereitet.

Doch die Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist heute nur noch eine zweitrangige Aufgabe von "Berkut". Nach Angaben des Innenministeriums zählt inzwischen die "Sicherung der öffentlichen Ordnung bei staatlichen, aber auch gesellschaftlichen, politischen und religiösen Massenveranstaltungen sowie bei Sport- und Kulturereignissen" zu den Hauptaufgaben der Spezialeinheit.

In diesem Zusammenhang weist der Rechtsexperte Chawronjuk darauf hin, dass die Vorschriften des Innenministeriums auf wichtige Fragen beim Einsatz der Truppe keine Antwort liefern: "Was stellt eine Störung der öffentlichen Ordnung dar, die einen Einsatz von 'Berkut' rechtfertigt? Wie werden so genannte Massenunruhen definiert, bei denen auch Spezialkräfte eingesetzt werden dürfen? "

Unterdrückung politischer und sozialer Proteste

Ukraine Jurist und Menschenrechtler Oleg Martynenko (Foto: DW)
Der Menschenrechtler Oleg Martynenko warnt vor der Spezialeinheit "Berkut"Bild: DW/O. Vesnyanka

Diese Kritik teilt auch der ukrainische Menschenrechtler Oleg Martynenko. Es sei nicht eindeutig geklärt, unter welchen Umständen der Befehl zum Einsatz der "Berkut"-Männer gegen Demonstranten gegeben werden dürfe. "Eigentlich ist es so, dass die Staatsmacht nach Belieben entscheidet, welche Aktion aufgelöst wird", so Martynenko.

Zudem zeige die psychologische Ausbildung der Männer Wirkung: Ihnen würde vor allem klar gemacht, dass Demonstranten eine Gefahr sein könnten. Über die Ziele und Rechte von Demonstranten würden sie nicht aufgeklärt. Deshalb seien sie bereit, mit allen Mitteln vorzugehen, wenn sie einmal den Marschbefehl bekämen, meint Martynenko.

Zwar dürften die Männer kein Unrecht begehen, vermutlich erscheine ihnen aber jeder Befehl des Kommandeurs plausibel. "Sie können schlicht nicht beurteilen, ob der Befehl rechtmäßig ist", sagt Martynenko. Viel zu wenig wüssten sie über die Rechte und den notwendigen Schutz von Bürgern und Demonstranten. Auch deswegen seien die Spezialkräfte zu einem Mittel der Unterdrückung politischer und sozialer Proteste geworden.