Sparhaus nach deutschem Vorbild
9. November 2013Japan sucht neue Wege aus seiner Energiekrise, und das große Vorbild dafür ist Deutschland. Das ist der Grund, warum seit einiger Zeit so viele japanische Beamte, Ingenieure, Manager und Politiker den weiten Weg in die "Fertighaus-Welt" im Kölner Vorort Frechen machen. In der Mustersiedlung verschiedener Hersteller stehen zwei Dutzend Holzhäuser mit hoher Energieeffizienz, darunter sechs sogenannte Plus-Energiehäuser.
Dank einer hoch wärmegedämmten Außenhülle, Frischluftheizung und Solaranlage können diese Wohnbauten mehr Energie erzeugen als sie verbrauchen. Aber nun brauchen die Japaner nicht mehr nach Köln zu reisen: Mit deutscher Hilfe wurde in Japan das erste Plus-Energiehaus errichtet. Der Bauträger ist japanisch, aber der Geburtshelfer kommt aus Nordrhein-Westfalen: das Öko-Zentrum NRW, ein ökologisch orientierter Gewerbepark in Hamm.
Deutsches Know-how, japanischer Wohnstil
Das Wohnhaus steht im Süden der Hauptinsel Shikoku in Takamatsu, einer Stadt so groß wie Bochum. Das Haus hat mit 100 Quadratmetern Wohnfläche die typische Größe für eine japanische Kleinfamilie. Der Bauträger gehört zur japanischen Wirtschaftsvereinigung "Club Vauban". Dabei handelt es sich um etwa 50 kleine und mittelständische Bauunternehmen, die energieeffizienter bauen wollen. Der Club ist nach einer ökologischen Mustersiedlung in Freiburg benannt.
"Wir sollten ein Plus-Energiehaus planen, wie man es einerseits in Deutschland bauen würde, und andererseits sollte es den japanischen Lebens- und Architektur-Gewohnheiten entsprechen", berichtet Manfred Rauschen, Geschäftsführer des Öko-Zentrum NRW. "Das Gebäude ist ein Prototyp, der aber in den nächsten Jahren hundertfach entstehen soll." Dabei wollen die Baufirmen soviel internationales Know-how wie möglich verwenden.
Japanische Gebäude als Wegwerfartikel
Das Öko-Zentrum NRW kooperiert seit Jahren eng mit Japan. Unter anderem hoben die Deutschen den ersten Energieausweis für ein Gebäude in Japan mit aus der Taufe. Ein laufendes Großprojekt ist die Errichtung eines Solarparks in Kawauchi am Rande der Sperrzone um das havarierte AKW Fukushima (DW berichtete). Nun erarbeiten die Experten vom Ökozentrums NRW für den Club Vauban ein deutsch-japanisches Planungshandbuch zum energieeffizienten Bauen.
Der Hausbau in Japan wird von wenigen Fertighausriesen beherrscht. Passives Energiesparen ist für diese Konzerne nicht wichtig, da die Häuser nur für eine relativ kurze Nutzungsdauer konstruiert werden. Dadurch verbreitet sich schon nach wenigen Jahrzehnten der Schimmel in den Wänden. "Besonders im Winter fällt Tauwasser an den vielen Wärmebrücken in der Dämmung aus, wo sich dann Schimmel bildet", berichtet Hans-Dieter Hegner, Referatsleiter für Nachhaltiges Bauen im Bundesbauministerium.
Mehr Energieeffizienz nach Fukushima-Unfall
Wegen der kurzen Lebenszeit haben gebrauchte Häuser in Japan praktisch keinen Wert. Das Sanieren von Altbauten ist praktisch unbekannt. Doch nun hat in Japan ein Umdenken eingesetzt. Man will nachhaltiger und energieeffizienter bauen. Der Unfall von Fukushima habe wie ein Katalysator gewirkt, meint Hegner. Man wolle die Atomkraft durch Energiesparen und erneuerbare Energien ersetzen: "Da es in Deutschland gute Erfahrungen gibt, baut man eine Kooperation mit uns auf."
Allerdings widersprechen die dicht isolierten Energiespar-Gebäude dem gewohnten Baustil in Japan. Dort sind die Häuser wegen der feuchtheißen Sommerhitze absichtlich relativ luftdurchlässig gebaut. Aber Hegner gibt sich optimistisch: "Auch in Deutschland hat man die gleichen Vorurteile erlebt, aber mittlerweile ist das Wissen vorangegangen." Wer Energie sparen wolle, müsse eben kontrolliert lüften, damit im Sommer die Kühle und im Winter die Wärme im Gebäude bleibe.
Deutsche Firmen mit Wissensvorsprung
Von dem Politikwechsel in Japan wird auch die deutsche Wirtschaft profitieren. Deutsche Unternehmen trumpfen zum Beispiel mit kostengünstigen Energiesparfenstern mit Drei- und Vierfach-Verglasung auf und haben spezielle Hightech-Dämmstoffe für energieeffiziente Bauten entwickelt. "Das Gesamtpaket erfordert ein Know-how, das Deutschland hat, aber sich in Japan erst langsam entwickeln muss", meint Geschäftsführer Rauschen.
Eine Einbahnstraße gibt es allerdings nicht. Auch die japanische Industrie bietet Energiesparlösungen für Gebäude an. So drängen die Japaner mit Brennstoffzellen zur Stromerzeugung für Wohnhäuser auf den deutschen Markt. Zudem sind sie stark im Heim-Energiemanagement. Dabei wird der Stromfluss elektronisch geregelt, um ihn optimal einzusetzen. Aber bis sich Plus-Energiehäuser durchgesetzt haben, dürfte es in beiden Ländern sicher noch einige Jahre dauern.