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Spar-Gegner am Ruder

Jannis Papadimitriou, Athen28. Januar 2015

Griechenlands neue Minister sind vereidigt, nun kann das Kabinett des linken Premiers Tsipras die Arbeit aufnehmen. Nach dem Machtwechsel geben in der Regierung deutschlandkritische Ökonomen den Ton an. Eine Analyse.

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Giannis Varoufakis (Foto: Reuters)
Der neue Finanzminister: Giannis Varoufakis (r.)Bild: Reuters/A. Konstantinidis

Das Finanzministerium übernimmt der Wirtschaftsprofessor und Publizist Giannis Varoufakis. Der in England und in den USA ausgebildete Ökonom gilt als scharfer Kritiker der vor allem von Deutschland befürworteten Sparauflagen für Griechenland und plädiert für einen Schuldenschnitt sowie eine Neuorientierung der europäischen Krisenpolitik. Die Wirtschaftsschriften von Varoufakis avancieren zum Bestseller in Hellas. In seinem jüngsten Buch "Der globale Minotaurus. Amerika und die Zukunft der Weltwirtschaft" erklärt der Ökonom die Rettungsmaßahmen im Zuge der Euro-Krise für gescheitert und plädiert für "historische Entscheidungen", damit das Wachstum in den Vordergrund gestellt werde, etwa durch ein gesamteuropäisches Investitionsprogramm. Varoufakis gilt als streitbarer Ökonom, der allerdings in der Regel - anders als viele Politiker der Linkspartei (Syriza) - nicht ideologisch, sondern sachlich argumentiert.

Zu den gemäßigten Stimmen der Linkspartei gehört Wirtschaftsminister Giorgos Stathakis, der in den eigenen Reihen als linker Sozialdemokrat wahrgenommen wird. Sowohl ihm als auch Varoufakis steht ein Aufpasser zur Seite: Giannis Dragasakis, an der Londoner LSE (London School of Economics and Political Science) ausgebildeter Ökonom und bisheriger Vizepräsident der griechischen Parlaments, hoch respektiert von Freund und Feind. Als stellvertretender Regierungschef bekommt er in Athen die Aufsicht über den gesamten Bereich Wirtschaft und Finanzen. Zudem soll der 67-Jährige eine "nationale Verhandlungskommission" einrichten, die über eine Neuregelung der griechischen Schulden beraten soll. "Varoufakis mag etwas aufbrausend wirken, aber Dragasakis wird vermutlich das letzte Wort über wichtige wirtschaftspolitische Maßnahmen haben", erklärt der Politanalyst Stavros Lygeros im staatlichen Fernsehen.

Giannis Dragasakis (Foto: AFP)
Giannis DragasakisBild: AFP/Getty Images/A. Messinis

Konzessionen an den linken Parteiflügel

Marxistisch orientierte Wirtschaftsexperten wie der bisherige Chefökonom der Linkspartei, Giannis Milios, bleiben bei der Regierungsbildung außen vor. Dafür sind zahlreiche namhafte Akademiker mit an Bord. Seinen linken Parteiflügel will Premier Alexis Tsipras allerdings nicht völlig außer Acht lassen: Panagiotis Lafazanis, Kristallisationsfigur der innerparteilichen Opposition von links, übernimmt das Schlüsselresort für den "produktiven Wiederaufbau" Griechenlands. Damit bekommt er wohl auch ein Mitspracherecht bei wichtigen Investitionsprojekten, etwa im Energiebereich. Ob Lafazanis auch am Wahlversprechen der Linken festhält, bereits vollzogene Privatisierungen rückgängig zu machen, bleibt abzuwarten. Noch in der Wahlnacht erklärte er jedenfalls vor Journalisten, die neue Regierung werde ihr Wirtschaftsprogramm "in vollem Umfang umsetzen".

Panagiotis Lafazanis (Foto: picture alliance)
Panagiotis LafazanisBild: picture-alliance/dpa

"Mich beunruhigt die Tatsache, dass einige der heutigen Regierungspolitiker in den vergangenen Jahren als Reformblockierer aufgefallen waren", klagt der Politanalyst Alexis Papachelas im TV-Sender Skai. "Außerdem sehe ich in dieser Regierung verschiedene Strömungen und viele starke Persönlichkeiten - und ich frage mich, ob das alles zusammenpasst", gibt der Analyst zu bedenken. Insgesamt umfasst das Kabinett von Alexis Tsipras 13 Minister, 21 stellvertretende Minister oder Vizeminister und fünf Staatssekretäre. Somit ist es Ansichtssache, ob Tsipras sein für griechische Verhältnisse radikales Wahlversprechen gehalten hat, eine schlanke und effiziente Regierung zu bilden: Würde man ausschließlich auf die Anzahl der Regierungsmitglieder mit Ministerrang abstellen, wäre seine Zusage erfüllt. Das ändert aber nichts daran, dass weiterhin bis zu 40 Personen am Kabinettstisch sitzen.

Eine "aktive Außenpolitik" in Sicht

Schon an diesem Mittwoch (28.01.2015) soll die erste Kabinettssitzung stattfinden. Politjournalist Pavlos Tsimas sieht die Linksregierung auf einem guten Weg. Als Nachteil empfindet er jedoch den Mangel an Regierungserfahrung: "Kein Minister hat Erfahrung in einer Regierungsposition, bis auf zwei Ausnahmen: Vizeregierungschef Dragasakis hat gerade mal vier Monate lang der Übergangsregierung von Xenofon Zolotas in den achtziger Jahren gedient und Verteidigungsminister Kamenos war einmal Vizeminister (für Handelsschifffahrt), und das nur neun Monate lang. Das war's dann auch."

Besonders umstritten ist der neue Verteidigungsminister. Da sich Syriza kurioserweise auf eine Koalition mit der rechtspopulistischen Partei "Unabhängige Griechen" (ANEL) einließ, erhob ANEL-Chef Panos Kammenos Anspruch auf das Verteidigungsressort und bekam es auch. In der Vergangenheit vertrat Kammenos betont patriotische Positionen in der Außenpolitik, etwa in den griechisch-türkischen Beziehungen.

Panos Kammenos und Alexis Tsipras (Foto: AFP)
Panos Kammenos (l.) mit Alexis TsiprasBild: AFP/Getty Images/L. Pitarakis

Nun wird er allerdings im Schatten des neuen Außenministers stehen müssen: Nikos Kotzias, parteiloser Professor und scharfer Analytiker, wird neuer griechischer Chefdiplomat. Seine politische Sozialisation begann er als Mitglied der Kommunistischen Partei Griechenlands (KKE) und war über viele Jahre ein enger Vertrauter und Berater des ehemaligen sozialistischen Regierungschefs Giorgos Papandreou. Nach der Vereidigung der Minister stellte Kotzias eine "aktive Außenpolitik" in Aussicht. Ein Zeichen dafür gab es am Dienstagabend, nachdem die Staats- und Regierungschefs der EU schärfere Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise androhten. Dimitris Tzanakopoulos, Büroleiter des Ministerpräsidenten, ließ verlauten, diese EU-Erklärung sei mit Griechenland nicht abgesprochen.