Spaniens Katastrophengebiet: Wütender Empfang für den König
3. November 2024Nach den zerstörerischen Überschwemmungen in der Region Valencia hat Spaniens Königspaar die Wut und Verzweiflung der Menschen im Katastrophengebiet zu spüren bekommen. "Mörder" und "Rücktritt", brüllten Bewohner von Paiporta König Felipe VI. und seiner Frau Letizia entgegen, als die sich in Begleitung von Regierungschef Pedro Sánchez und Regionalpräsident Carlos Mazón ein Bild von der Lage dort machten.
Wie die Nachrichtenagentur AFP meldet, warfen aufgebrachte Menschen außerdem Schlamm und Gegenstände in Richtung des Monarchen. Das Königspaar habe versucht, mit den Leuten zu sprechen und sie zu beschwichtigen, heißt es in Medienberichten. Felipe habe den Besuch in dem Ort fortsetzen wollen, sei dann aber von Personenschützern - zum Teil auf Pferden - aus Sicherheitsgründen abgeschirmt worden.
Die 27.000-Einwohner-Gemeinde Paiporta wenige Kilometer südlichwestlich der Regionshauptstadt Valencia gelegen, gehört zu den von der Katastrophe besonders stark betroffenen Gebieten. Auf dem Programm des Königs stand unter anderem ein Besuch im dortigen Krisenzentrum.
In den Ortschaften westlich und südlich von Valencia hatte sich Unmut über die Politik breitgemacht. Denn viele der verwüsteten Orte fühlten sich in den ersten Stunden und Tagen nach der Katastrophe völlig alleingelassen - mit aufeinander getürmten Autos und Möbeln auf den verschlammten Straßen und ohne Trinkwasser, Lebensmittel, Strom und Telekommunikation.
Ein Rinnsal wurde zum reißenden Strom
Am Dienstag waren im Osten und Süden Spaniens extreme Regenfällen niedergegangen. An manchen Orten regnete es so viel wie sonst in einem ganzen Jahr. In dem Gebiet westlich und südlich der Stadt Valencia sorgte vor allem ein Gewässer für einen Großteil der Zerstörung: der Rio Magro. Dessen sonst eher trockenes Bachbett hatte sich durch die heftigen Regenfälle in einen reißenden Strom verwandelte. Immense Wassermassen strömten mitten durch mehrere Ortschaften Richtung Meer.
In Paiporta überschwemmten die Regenmassen das Tal Barranco de Chiva und flossen unaufhaltbar in Straßen, Gassen und Häuser. Die Flutkatastrophe ist die schlimmste in Spanien seit Jahrzehnten.
Nach Angaben vom Sonntag wurden bereits 217 Todesopfer gefunden, davon 213 in der Region Valencia. Die Behörden rechnen mit weiteren Todesopfern, etwa in von den Flutwellen mitgerissenen Autos. In den Katastrophengebieten fehlt es außerdem weiterhin an Trinkwasser und Lebensmitteln.
Begleitet wird der Besuch des Königspaars von einem neuen Unwetteralarm. Die spanische Meteorologiebehörde Aemet veröffentlichte für die Region Valencia wegen neuer starker Regenfälle eine Warnung der zweithöchsten Stufe orange. Demnach könnten stellenweise 100 Liter Regen pro Quadratmeter fallen.
Für die Provinz Almería in der südspanischen Region Andalusien wurde gar Alarmstufe rot ausgerufen: Das bedeutet extreme Gefahr. Die bei Touristen beliebte Gegend muss demnach wegen heftiger Regenfälle mit Überschwemmungen rechnen.
Mittlerweile fast 4000 Soldaten im Einsatz
Die Bergungsarbeiten liefen am mittlerweile fünften Tag nach der Katastrophe weiter. Vor allem in Tunneln und überfluteten Tiefgaragen oder Parkhäusern stellt sich die Suche besonders schwierig dar, da dort das Wasser den Einsatzkräften zum Teil bis zur Brust reicht. Regierungschef Sánchez hatte angekündigt, das Militär vor Ort um weitere 5000 Soldaten aufzustocken und auch 5000 Polizisten zu entsenden.
Auch dank vieler Freiwilliger ist dort mittlerweile Hilfe angelaufen, und auch die Stromversorgung funktioniert zum großen Teil wieder. An diesem Samstag waren Tausende von der Metropole Valencia aus organisiert in Bussen in einige der Dörfer gebracht worden, doch manche dortige Bürgermeister wie etwas in Chiva hätten sie gar nicht mehr benötigt, schreibt etwa die Zeitung "ABC".
AR/pg (afp, dpa)