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Gibraltar wehrt sich gegen Maut

7. August 2010

Ein spanischer Bürgermeister möchte gerne auf der Zufahrtsstraße nach Gibraltar eine Maut erheben. Die Einwohner der britischen Enklave fürchten Diskriminierung und drohen mit Protesten.

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Blick auf den Affenfels Gibraltar von einer Straße aus (Bild: AP)
Streit um den Weg nach GibraltarBild: Bilderbox

Die Beziehungen zwischen Spanien und Gibraltar waren nie einfach. Seit ein neuer Bürgermeister in der spanischen Stadt La Linea, gegenüber dem britischen Felsen Gibraltar, sein Amt angetreten hat, wächst die Spannung wieder. Alejandro Sanchez möchte gerne eine Maut von denjenigen verlangen, die von Spanien kommend nach Gibraltar fahren. Weder die 30.000 Einwohner der britischen Exklave, noch die 7000 Spanier, die dort arbeiten und täglich pendeln, sind besonders begeistert von dem Vorhaben.

Die Grenzgänger

Ein Flugzeug vor dem Felsen von Gibraltar (Foto: AP)
Fluglandeplatz und FernverkehrsstraßeBild: AP

An der Grenze, die sich auf Spanisch "La Linea De La Conceptión" nennt, bildet sich ein Stau. Dahinter liegt das umstrittene britische Territorium Gibraltar. Fast eine Stunde stehen die Reisenden hier. Ein Grund ist sicher der Flieger, der gerade gelandet ist. Das Rollfeld des Flughafens von Gibraltar dient nämlich gleichzeitig als die Hauptverbindungsstraße, die in die Exklave führt. Flugzeuge haben natürlich Priorität, und wenn ein Flieger landet, müssen die Autos warten.

Hunderte Autos mit spanischen Kennzeichen reihen sich Stoßstange an Stoßstange, denn Gibraltar ist gerade jetzt in der Ferienzeit ein beliebtes Ausflugsziel spanischer Touristen. Und das verärgert, wie es scheint, den Bürgermeister von La Linea und brachte ihn auf die Idee, denjenigen Geld abzuknöpfen, die die Grenze passieren wollen.

Wer profitiert von der Maut?

Nach Jahren kleinlichen Ringens zwischen Spanien und Großbritannien über die Zukunft von Gibraltar, sind die Bewohner empört. "Seit 45 Jahren habe ich immer wieder von neuen Plänen gehört, was die Spanier mit Gibraltar vorhaben. Eigentlich geht es Ihnen nur darum, uns das Leben so schwer wie möglich zu machen", sagt ein britischer Beamter, der lieber anonym bleiben möchte. Die Spanier verstünden nicht, dass La Linea von Gibraltars boomender Wirtschaft profitieren werde. "Wenn sich dieser Plan negativ auf die Entwicklung Gibraltars auswirkt, wird auch La Linea darunter leiden", meint der Beamte.

Auch Gibraltars Parlamentspräsident Peter Caruana bemüht sich von Anfang an darum, dass die spanische Regierung und die EU die Pläne für illegal erklären. Zugute kommt ihm dabei, dass Sanchez angekündigt hatte, die geplante Maut solle nicht für jeden gelten. Doch das wäre offene Diskriminierung.

"Ich weiß, dass es La Linea nicht gut geht. Ganz Spanien leidet unter der Rezession. Aber was bringt es, eine Maut von denen zu verlangen, die nach Gibraltar wollen, wenn immerhin jeden Tag mehr als 5000 Spanier dorthin zur Arbeit fahren um ihr täglich Brot zu verdienen?", erklärt die Britin Denise Murray. Scheinbar wolle er eine Maut einführen, aber spanische Arbeiter und Angestellte davon ausnehmen. "Ob britische Arbeiter und Angestellte, die in Spanien leben, auch davon ausgenommen werden sollen, das wissen wir noch nicht." Murray hat 30 Jahre lang in Gibraltar gelebt. Vor kurzem zog sie nach La Linea um, weil ihr die Immobilienpreise auf dem Felsen zu teuer wurden. Sie fürchtet nun, dass sie als britische Staatsbürgerin die Maut zahlen muss.

Keine Maut, sondern Gebühr

Als er darauf hingewiesen wurde, dass solch eine Form der Diskriminierung nach EU-Richtlinien illegal wäre, änderte Sanchez den Namen seines Plans. Jetzt bezeichnet er es als "Straßenverstopfungsgebühr" und nicht als "Maut." Auch hat er angedeutet, dass nur noch Touristen die Maut zahlen sollten. Aber auch wenn die Grenze oft verstopft ist, sagen die Einwohner von Gibraltar, dass es bei dem Vorschlag eigentlich um etwas Anderes geht: Sanchez bräuchte einfach nur ganz dringend Einnahmen.

"La Linea wurde durch die Wirtschaftskrise besonders hart getroffen, weil die Stadtverwaltung zu viel ausgegeben hat. Dann hat Sanchez die Verantwortung übernommen - und versprochen, den Haushalt wieder in Ordnung zu bringen", erzählt Jim Watt von der Bürgerinitiative "Voice of Gibraltar". "Er steht vor einem großen schwarzen Finanzierungsloch und hat kein Geld, um seine Angestellten zu bezahlen." Außerdem kämpfe La Linea mit hoher Arbeitslosigkeit - die Möglichkeiten, Geld zu erwirtschaften, seien begrenzt. "Sanchez steht unter finanziellem Druck. Wir haben viel Verständnis für ihn, aber wir glauben nicht, dass es ein Ausweg ist, das Geld jetzt aus Gibraltar herauszuquetschen", meint Watt.

Gebühr ist abschreckend für Touristen

Ein spanischer Fischer präpariert am 6.11.2002 auf der spanischen Seite vor dem Felsen von Gibraltar seine Ausrüstung
Die Idylle trügt - Streit um GibraltarBild: dpa

Über die wirtschaftlichen Auswirkungen einer Maut will kaum jemand nachdenken. Aber es gibt auch kaum Zweifel, dass die vielen Geschäftsleute, die von dem ständigen Zustrom spanischer Einkauftouristen leben, um ihre Profite fürchten. Gibraltar ist zwar eine Steueroase und Besucher kommen per Flugzeug und Schiff, aber die dortigen Einzelhändler leiden schon jetzt unter der sinkenden Touristenzahl.

Sollte der Plan trotzdem weiter vorangetrieben werden, könnte das schnell die gesamte Bevölkerung der Insel mobilisieren. "Wenn nötig, werden wir protestieren", warnt Watt. Man habe Lautsprechersysteme. Man könne Demonstrationen in den Stadtvierteln auf die Beine stellen und die Leute auffordern zur Grenze zu gehen. "Sicher würden viele Leute mitkommen und es ist keine lange Grenze. Wenn nötig könnten wir alles zum Stehen bringen", sagt der Aktivist. "Wir könnten durchsetzen, dass es dann an der Grenze keine Bewegungsfreiheit mehr gibt - auch nicht für die Spanier, denn das wäre Diskriminierung."

Es wäre nicht das erste Mal, dass sich die Bürger von Gibraltar in großer Zahl gegen die Spanier stellen. Schon vor Jahren, als spanische Fischer versucht hatten, die spanische Seite der Grenze zu blockieren, kam die Mehrheit der Bevölkerung des Felsens herunter, um eine Gegenblockade aufzubauen. Auch die Versuche Spaniens und der britischen Regierung, die Souveränität des Felsens auf beide Staaten gemeinsam zu übertragen, wurden in einem Referendum 2002 mit überwältigender Mehrheit abgelehnt.

Autor: Nik Martin / Fabian Schmidt
Redaktion: Nicole Scherschun