Posts statt Poster
20. Januar 2013Eine Straßenecke im Zentrum von Nairobi. Jeden Abend nach Büroschluss diskutieren sich die Männer hier die Köpfe heiß. Es geht um Politik, wer welchen Kandidaten unterstützt, und warum. Überall in der kenianischen Hauptstadt gibt es zurzeit solche spontanen Diskussionsrunden.
Was hier auf der Straße passiert, spiegelt die lebhaften Debatten wider, die sich zeitgleich im Internet abspielen. In Blogs, auf Facebook, per Twitter-Nachricht - die Kenianer nutzen die neuen sogenannten Sozialen Medien rege, um über Politik zu debattieren. Auch die Politiker selbst sind längst auf den Zug aufgesprungen. Sie berichten fast stündlich auf Facebook, wo sie gerade sind und was sie gesagt haben. Einige halten per Twitter, dem Portal für kurze Textnachrichten, Sprechstunden mit Bürgern ab. Dabei müssen sie einiges an Kritik über sich ergehen lassen.
Der kenianische Politikwissenschaftler und Aktivist Mwalimu Mati hofft, dass Politiker die sozialen Netzwerke nutzen, um mehr über sich und ihre Pläne zu erzählen. "Aber das beschränkt sich natürlich auf die tatsächlichen Pläne der Politiker", fügt Mali hinzu. Positiv sei aber, dass soziale Medien eine größere Chancengleichheit für die Kandidaten schaffen, weil so auch weniger reiche Politiker einen Kommunikationsweg finden.
Nutzung von fünf auf 30 Prozent gestiegen
Alle positiven Effekte der sozialen Medien funktionieren jedoch nur dort, wo auch Strom und Internetzugänge vorhanden sind, also vor allem in städtischen Regionen. Ingesamt ist die Zahl der Internetnutzer in Kenia seit den letzten Wahlen vor fünf Jahren stark gestiegen. Den Daten des Informationsministeriums zufolge haben zurzeit gut 14 Millionen Kenianer einen Internetzugang, also rund 30 Prozent der Bevölkerung. Vor fünf Jahren waren es nur etwa fünf Prozent. Die große Verbreitung nutzen auch viele Organisationen der Zivilgesellschaft für sich, um Wähler aufzuklären und Informationen zu sammeln. Das hat den demokratischen Spielraum enorm vergrößert, sagen einige.
Der Aktivist Boniface Mwangi nutzt ebenfalls Facebook, um auf Demonstrationen aufmerksam zu machen, die er organisiert. Für mehr reicht es allerdings nicht, meint er. Er schätzt die Bedeutung von Sozialen Medien als sehr gering ein. "Es ist ein guter Ort, um große Töne zu spucken, aber als wirksames Instrument? Das bezweifle ich sehr," sagt Mwangi. Die wirkliche Macht liege offline, nicht im Netz. Statt sich nur in Tweets zu beschweren, sollten die Internetnutzer lieber demonstrieren: "Malt ein Plakat, trommelt die Leute zusammen und geht auf die Straße!"
Den Widerspruch zwischen der realen und der Online-Welt belegen Zahlen: Denn ginge es danach, welcher Präsidentenkandidat in den verschiedenen sozialen Netzwerken die meisten sogenannten Fans oder Follower hat, müsste Martha Karua die besten Chancen auf den Sieg haben. Die ehemalige Justizministerin hat als erste auf die sozialen Medien gesetzt und auf diesem Wege auch Spenden für ihren Wahlkampf gesammelt. In den Meinungsumfragen liegt sie jedoch nach wie vor weit abgeschlagen.
Gefahr von Hetzreden
Mit ihrer Offenheit laden Soziale Medien allerdings auch zum Missbrauch ein, gerade in Kenias ethnisch geprägter Politik. Schon jetzt sind mitunter aufhetzende Beiträge zu lesen, wie sie auch vor fünf Jahren übers Radio die Stimmung aufgeheizt haben. Hetzreden sind nach den Unruhen um die letzten Wahlen gesetzlich verboten worden. Gleich mehrere staatliche Institutionen überwachen die Einhaltung des Gesetzes. Darunter auch die nationale Kommission für Zusammenhalt und Integration. Deren Vorsitzender Mzalendo Kibunjia appelliert an die Politiker, ihre Worte bei Kampagnen sehr sorgsam zu wählen. Das gelte auch für jeden einzelnen Kenianer, vor allem bei Meinungsäußerungen im Internet. Die Regierung kündigte kürzlich an, noch genauer auf Soziale Medien zu schauen und die Autoren von beleidigten oder drohenden Aussagen hart zu bestrafen.
Ihr großes Potential können die Sozialen Netzwerke aber noch während und nach der Wahl entfalten, denn über sie ist es schnell möglich, Informationen etwa über Wählerbestechung oder Gewaltausbrüche publik zu machen. Die Internetplattform Ushahidi, zu deutsch: "Beweis", wurde in Kenia nach den Unruhen im Jahr 2008 gegründet, um derlei Informationen aus dem ganzen Land zu sammeln. Mittlerweile nutzen Aktivisten weltweit Ushahidi, um sich zu vernetzen. Vielleicht, so die Hoffnung in Kenia, wird diese landeseigene Erfindung bei den Wahlen diesmal gar nicht gebraucht.