Krise am Aktienmarkt
23. Januar 2008DW-WORLD: Das beherrschende Thema in Davos ist die Krise an den Finanz- und Aktienmärkten. Was können deutsche Unternehmen und Aktiengesellschaften tun, um ein Kursmassaker, wie wir es Anfang der Woche gesehen haben, zu verhindern?
Jürgen Großmann: Die makroökonomischen Konzepte werden sicher von den Notenbanken und Regierungen ergriffen, die Zinssenkung in den USA ist ein erster Schritt. Mikroökonomisch müssen sich die Unternehmen immer wieder sagen: wenn es dem Esel zu wohl wird, geht er aufs Eis. Wir müssen unsere Kostenstrukturen und unsere Wettbewerbsfähigkeit in Ordnung halten, dann wird der Börsenerfolg sich wieder einstellen. Korrekturen sind ab und zu mal richtig und wichtig. Im Sturm sagt man bei der Seefahrt, die erste Hand fürs Schiff, die zweite für den Mann. Lass uns sehen, dass wir unsere Schiffe in Ordnung kriegen, dass wir Kurs halten. Bloß keine Panik. Panik ist das Schlimmste. Vielmehr nüchtern unsere Situation analysieren, dann glaube ich dass wir aus der Sache gestärkt hervorgehen.
Wie stark ist Deutschland von der Finanzkrise betroffen?
Die Weltwirtschaft ist über die Finanzmärkte, die Versicherungen und die Banken natürlich verbunden. Wenn irgendwo Wohlstand vernichtet wird, dann wirkt sich das auf das Konsumverhalten, auf das Investitionsverhalten aus, dann sind wir alle betroffen. Soll bloß keiner glauben, ich hab keine Aktien, also betrifft es mich nicht. Das ist komplett falsch.
Viele Leute hätten die Position, die sich Deutschland Jahrzehnte lang erkämpft hat, sehr gerne. Und die arbeiten daran, auch Weltmeister zu werden. An der Globalisierung nehmen alle teil und es gibt nur Randgruppen, die nicht daran teilnehmen. Gerade hier in Davos sind in den letzten Jahren viele Studien vorgestellt worden, die alle ein Ergebnis gebracht haben: im Saldo hat die Weltwirtschaft und haben auch die ärmsten Länder von der Globalisierung profitiert.
Das Beispiel Nokia, das ein Werk in Bochum schließt, zeigt, dass auch in Deutschland selbst in boomenden Branchen die Arbeitsplätze nicht mehr sicher sind. Kehrt der Protektionismus zurück, müssen die Industrieländer ihre Märkte stärker abschotten, um Arbeitsplätze zu sichern?
In Teilen hat die EU ja den Protektionismus nie aufgegeben, etwa in der Landwirtschaft. Bei Nokia ist für uns das Bittere, dass der Konkurrent in dem Fall nicht in Südostasien sitzt, sondern in der EU und diese Arbeitsplatzverlagerung auch noch möglicherweise über einen EU-Beitrag finanziert wird. Dennoch man kann an verschiedenen Beispielen die falsche Grundregel beweisen.
Wir sind und bleiben der große Profiteur der Globalisierung und wir müssen überlegen, wie wir auf solche Herausforderungen antworten. Sicher nicht dadurch, dass wir mit Subventionen den internationalen Investoren hinterherlaufen. Sondern indem wir uns auf eigene Stärken besinnen und dagegen eigene Unternehmenskonzepte setzen. Da brauchen wir eben deutsche Unternehmer, die sich sagen, okay wenn Nokia hier raus geht, dann gehen wir da rein. Wir brauchen gute neue Ideen mit Innovationshintergrund und die können wir entwickeln, das ist in Deutschland möglich.
Dr. Jürgen Großmann wurde am 4. März 1952 in Mülheim an der Ruhr geboren. Sein Studium der Wirtschaftswissenschaften und der Eisenhüttenkunde schloss er 1977 mit der Promotion in Hüttenwesen ab. Der dreifache Familienvater wurde zum 1. Oktober 2007 zum Nachfolger des Vorstandvorsitzenden Harry Roels bestellt. Zuvor war er geschäftsführender Gesellschafter der Georgsmnarienhütte Holding GmbH.