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Orkantief 'Kyrill'

Die Fragen stellte Christoph J. Heuer18. Januar 2007

Das Orkantief 'Kyrill' sorgt für Unwetterwarnungen im gesamten Bundesgebiet. Andreas Friedrich, Diplom-Meteorologe in der Vorhersagezentrale des Deutschen Wetterdienstes in Offenbach, erklärt, was uns bevorsteht.

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Auf der Autobahn A71 zwischen Ilmenau West und Gräfenroda (Thüringen) versuchen Einsatzkräfte am Donnerstag (18.01.2007) einen umgekippten Lastwagen-Anhänger zu bergen
Auf der Autobahn A71 zwischen Ilmenau West und Gräfenroda (Thüringen) versuchen Einsatzkräfte am Donnerstag (18.01.2007) einen umgekippten Lastwagen-Anhänger zu bergenBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD: Das Sturmtief "Kyrill" wird am Nachmittag die deutsche Nordseeküste erreichen. Welche Folgen werden im Lauf des Tages für das Bundesgebiet erwartet?

Andreas Friedrich: Wir rechnen damit, dass es flächendeckend - und das ist das Besondere an diesem Orkantief - Windgeschwindigkeiten im Unwetterbereich gibt. Unwetter bedeutet für den Deutschen Wetterdienst Windstärke 11, das sind über 100 Stundenkilometer. Die werden ab heute Mittag - da werden die ersten Unwetterwarnungen gültig - in ganz Deutschland erreicht. In einigen Bereichen, vor allem im Bergland, wird es deutlich über die Orkanstärke hinausgehen.

Rechnen Sie auch mit starken Niederschlägen?

Ja, das ist das zweite Wetterelement, das Unwettercharakter annehmen kann. Vor allem in den Mittelgebirgen und im Westen wird es starke Regenmengen geben und die können 40 Liter pro Quadratmeter innerhalb von 24 Stunden erreichen. Damit wäre dann die Unwetterschwelle überschritten, so dass man in kleineren und mittleren Flusseinzugsgebieten mit Hochwasser rechnen muss.

Nach dem Sturm "Lothar" im Jahr 1999 stand der Deutsche Wetterdienst wegen angeblicher Fehlleistungen bei der Vorhersage in der Kritik. Ist man deshalb vorsichtiger geworden und wurde das bei den aktuellen Warnungen berücksichtigt?

Nein, wir haben die Taktik und die Schwellenwerte nicht geändert. Man konnte vor diesem Orkan schon sehr früh warnen. Das ist ein Ereignis, das von den Wettervorhersagemodellen schon vor einigen Tagen sehr gut prognostiziert worden ist. Es gibt aber Wetterlagen, gerade im Sommer, da ist das einfach unmöglich. Da kann man nicht vorhersagen, ob ein Unwetter, das lokalen Charakter hat, am nächsten Tag gewisse Gebiete trifft oder nicht.

Sind Wetterphänomene wie der Sturm "Lothar" und andere "Jahrhundertstürme" Anzeichen für den Klimawandel?

Das METEOSAT-8-Bild vom Mittwoch (17.01.2007), 13:00 Uhr MEZ zeigt die Wolkenbildung über Europa und dem Nordatlantik. Eingeblendet ist mit "T" das sich stark entwickelnde Orkantief "Kyrill", das sich mit seinem Zentrum noch über dem Nordatlantik, weit vor der irischen Küste, bewegt.
Gewaltiges Orkantief: 'Kyrill' nimmt Kurs auf DeutschlandBild: picture-alliance/ dpa

Man kann ein Einzelereignis nicht mit Klimaveränderungen in Verbindung bringen. Dazu bedarf es einer Betrachtung, die sich über Jahrzehnte erstreckt. Aber die Klimamodelle sagen schon voraus, dass wenn sich diese Trends bestätigen und der Temperaturanstieg weitergeht, es im Winter zu stärkeren Niederschlägen kommen wird. Und diese Niederschläge sind dann mit solchen Sturmtiefereignissen verbunden. Man kann damit rechnen, dass sich solche Wetterlagen - also milde Westwetterlagen, die solche Orkantiefentwicklungen beinhalten - im Winter häufiger einstellen.

Ist das Sturmtief "Kyrill" verglichen mit Hurrikanen und Taifunen in anderen Regionen der Welt nur ein "laues Lüftchen"?

Tropische Wirbelstürme sind natürlich von ihren maximalen Windstärken sehr viel stärker als ein solches außertropisches Orkantief. Hurrikans können Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 300 Stundenkilometern erreichen. Aber was wir jetzt hier erleben, ist schon eine außergewöhnliche Entwicklung, die in Mitteleuropa nur alle paar Jahre vorkommt.